Post. Antisemitische Post. Juden werden beschimpft, diffamiert, bedroht. Beim Zentralrat der Juden kennt man das schon immer. Doch etwas ist neu: seit einiger Zeit tragen diese Zuschriften immer öfter auch Klarnamen und Adresse des Absenders.
Das war nicht immer so. Die Beobachtungen des Zentralrats deuten darauf hin, dass sich hier etwas verändert. Und: eine Studie der TU Berlin hat herausgefunden, dass derartige Zuschriften hauptsächlich von Mitgliedern der Mittel- und Oberschicht kommen.
Neuer und alter Antisemitismus
Handelt es sich bei diesen Sachverhalten um einen neue Form des Antisemitismus oder werden alte Stereotype reproduziert? Die Antwort lautet: Sowohl als auch. Zumindest nutzen Menschen stereotypische Vorurteile gegenüber Juden vermehrt in Kombination mit anderen Themen.
Anfang des Jahres hat sich der Nahost-Konflikt zugespitzt und dafür gesorgt, dass auch in Deutschland eine große Anzahl von Menschen antisemitische Vorurteile reaktivieren, um die israelischen Militärmaßnahmen zu kritisieren. Dabei schreckten die Demonstranten auch vor Stereotypen wie dem „Kindermörder Israel“ nicht zurück. Vermutlich wissen viele Menschen gar nicht, welche braunen Bilder aus der deutschen Geschichte sie damit zurück ins heute holen.
Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus gehen Hand in Hand
Die Universität Bielefeld hat kürzlich in einer mehrjährigen Studie nachgewiesen, dass gruppenbezogene menschenfeinliche Einstellungen wie Islamophobie, Rassismus und Antisemitismus in hohem Maße zusammenhängen. Das heißt: die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Vorurteilen gegenüber Juden auch stereotypisch über Muslime denkt, ist sehr hoch. Das Gebot der Stunde scheint also: gesellschaftliche Toleranz insgesamt zu fördern.
Ob wir hier eine neue Qualität von Antisemitismus beobachten, hat Alexander Hertel mit Juliane Wetzel vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin besprochen.
Redaktion: Vincent Scheller