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Band vor Mauer mit Nasengriff: AnnenMayKantereit. Foto: Fabien J.R. Raclet
Band vor Mauer mit Nasengriff: AnnenMayKantereit. Foto: Fabien J.R. Raclet

Album der Woche: AnnenMayKantereit – Alles nix konkretes

Das Krokodil raucht zu viel

Von der Straßenmusikband zum Straßenfeger – AnnenMayKantereit haben in den letzten Jahren einen rasanten Aufstieg hingelegt. Mit ihren unaufgeregten Songs und den Coming-of-Age-Themen haben sie einen Nerv getroffen. Jetzt erscheint ihr erstes „richtiges“ Album „Alles Nix Konkretes“.

Eigentlich wissen sie gar nicht, was gerade passiert, sagt AnnenMayKantereit-Sänger Henning May im Inteview. Wildfremde Menschen sprechen einen in der Bahn an, ein Plattenvertrag mit einem Majorlabel und ausverkaufte Hallen, egal wo die Band spielt. Ja, das kann einen schon ein bisschen überwältigen. Und dabei haben ihre Freunde sie zuerst belächelt, als es für die vier nach dem Abitur nicht gleich an die Uni ging, sondern erstmal in die Kölner Fußgängerzone zum Musik machen, sagen Henning May und Christopher Annen.

HM: Es gab eigentlich in Köln immer nur zwei Sorten Straßenmusiker. Entweder junge osteuropäische Männer oder halt uns. Deswegen war das glaube ich schon für viele Leute sehr komisch, dass dann plötzlich wir da stehen und man eigentlich jedem von uns zugetraut hätte, dass er nach dem Abi sofort ins Studium geht.

CA: Vor allen Dingen, dass man so viel Zeit damit verbringt, ohne dass jetzt absehbar ist, dass man damit irgendwie mal Kohle verdient oder überhaupt irgendwie seinen Tag füllen kann. Das ist natürlich auch komisch, wenn dann alle anderen auf ein klares Ziel hin arbeiten. Bei uns hat sich dieses Ziel erst so Stück für Stück so rausgeschält.

Fußgängerzone statt Uni

Stück für Stück aufgebaut hat sich auch der Hype um AnnenMayKantereit. Stundenlange Sessions auf der Straße gingen bald über in die ersten Auftritte in gut gefüllten Clubs. Das erste in Eigenregie aufgenommene Album war schnell vergriffen. Jetzt gibt’s endlich Nachschub. Das neue Album Alles Nix Konkretes ist in den Berliner Hansastudios entstanden mit Hilfe von Produzent Moses Schneider. In den Hansastudios haben bekanntlich schon Rockgrößen wie David Bowie und Iggy Pop aufgenommen. Aber das hat die Band weniger beeindruckt.

Also ich fand David Bowie immer interessant, aber so richtig krass fand ich den nie. Ich fand auch Iggy Pop immer ziemlich cool, aber so richtig krass fand ich den halt auch nie. Dann ist es irgendwie so für einen, dass man das natürlich weiß. Aber letzten Endes interessiere ich mich viel mehr dafür, was Moses mit meiner Stimme macht, als wer jetzt schon durch dieses Mikro gesungen hat. Mich interessiert dann eher, was da hinten bei rauskommt als wer schon alles davor stand. Ich glaube auch, das ist sehr wichtig, weil man sich sonst einfach selber erschlägt.

https://www.youtube.com/watch?v=DraA3PUuoQc

Apropos Stimme, die ist bei Henning May irgendwo zwischen Tom Waits und Rio Reiser angesiedelt. Das kann man mögen oder auch nicht, aber sie bleibt in jedem Fall im Gedächtnis.

Ich werde ja sehr oft gefragt, ob ich sehr viel trinke und sehr viel rauche und wie ich das gemacht habe mit der Stimme. Ich habe da schon viele verschiedene Antworten gegeben, aber es bricht sich eigentlich immer auf zwei Sätze herunter und zwar, dass das zum einen natürlich dadurch kommt, dass wir viel Straßenmusik gemacht haben. Ich musste viel brüllen. Wir mussten einfach sehr laut sein. Um Geld zu verdienen, muss man laut sein, weil das zieht die Leute an. Das andere ist, dass ich mich immer sehr darüber freue, dass meine Stimme für andere Leute so besonders ist anscheinend.

Authentisch, ohne Schnickschnack

Eingespielt haben Annemaykantereit das Album live: Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang, keine Overdubs, kein Schnickschnack. Ihre authentische Art ist nicht zuletzt ein großer Teil ihres Erfolgsrezepts. Die Texte handeln vom Leben mit Anfang 20: Mädchen, WG-Mitbewohner, Abschiede. Und dann gibt es da noch das Krokodil.

Es gibt im Kindergarten so ein Spiel „Mein linker, linker Platz ist frei, ich wünsche mir den Dennis als Giraffe herbei“. Dann hatte der Chrissi in der Bahn einen Platz frei und dann hat er halt gesagt: „Mensch, mein rechter, rechter Platz ist frei, ich wünsche mir den Andi herbei“. Und eigentlich muss man ja immer ein Tier nennen. Da hat der Andi gesagt: „Ich wäre so gerne als Krokodil gekommen.“ Dann haben wir angefangen, ihn das „Krokodil“ zu nennen. Das ist das ein Running Gag geworden, dass dann nicht mehr nur er das Krokodil ist, sondern praktisch dieser ganze Tross das Krokodil ist. Das hat sich dann so entwickelt, dass wir auch viele Witze drüber machen. Dadurch ist dieser Begriff vom Krokodil entstanden, das für uns dieses ganze Ding symbolisiert, auf Tour zu sein.

Auf Tour sein werden Annemaykantereit in diesem Jahr sicher noch so einige Zeit. Und mit Majorlabel im Rücken und Nightliner auf der Straße ist das gleich ein bisschen bequemer. Die Konzerte im April und Mai sind alle bereits ausverkauft. Und auch Alles Nix Konkretes wird weggehen wie warme Semmeln. Gut, dass sie sich nicht für’s Studieren entschieden haben.

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