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GonjaSufi: “Der Inhalt geht verloren”

Eines der aktuellen Zugpferde und Aushängeschilder des legendären Labels Warp ist GonjaSufi. Im detektor.fm-Interview spricht er über seine Neben-Tätigkeit als Yoga-Lehrer und über eine junge Produzenten-Riege, die bei allen technischen Möglichkeiten den Inhalt vergisst.

GonjaSufi im Portrait 06:36

2008 nahm das Leben des damals 30-jährigen Sumach Ecks eine entscheidende Wendung. Nach zig Projekten und Ausflügen in Genres wie Hard-Rock, Punk und Hip Hop nahm ihn der damals schon erfolgreiche Produzent Flying Lotus als Gast auf sein Album Los Angeles. So wurden nicht nur Flying Lotus-Fans, sondern auch Warp Records auf die sanfte Stimme von Ecks aufmerksam.

2010 erschien schließlich mit A Sufi And A Killer das Debüt GonjaSufis, was der damals schon etwas angestaubten Welt des Trip Hop neuen Wind einhauchte. Das hievte ihn schließlich auf die Landkarte der Anhänger von Labels wie NinjaTune, Brainfeeder und eben Warp:

Ich hab viel gelernt von der Arbeit mit Warp. Über mich selbst, über die Musikindustrie, über Plattenlabels. Am Anfang war es schwer, den Visionen von Warp zu vertrauen. Ich musste lernen, es nicht als Kompromiss zu sehen. Inzwischen vertraue ich Steve Beckett, wenn er sagt: „Hey, das ist ein Hit“. Er ist lange genug dabei, um zu wissen wie’s läuft. Warp hat für mich das Spektrum elektronischer Musik geöffnet. Bis vor ein paar Jahren habe ich elektronische Musik nicht so richtig verstanden. Platten die hier in Europa entstanden sind, machen jetzt viel mehr Sinn für mich.

Nach dem Debüt, einem Remix-Album und einer EP ist im Januar dieses Jahres das neue Album MU.ZZ.LE erschienen, doch der Weg dahin war steinig:

Ich habe versucht, die verschiedenen Erfahrungen der letzten Zeit darin zu verarbeiten. Oft haben sich innerhalb von 24 Stunden die besten und schlimmsten Erfahrungen abgewechselt. Du spielst in einem Land, wirst mit Tomaten beworfen und dann am nächsten Tag gibst du eine Zweistunden-Zugabe. Ich weiß, dass Himmel und Hölle nur eine Sache der Perspektive sind. Also wechsele ich meine Perspektive, gehe durch die Hölle, um in den Himmel zu gelangen. Da führt kein Weg daran vorbei und ich habe auch keine Angst davor.

Auf dem Remix-Album seines Erstlings wird GonjaSufi von einigen jungen Künstlern mit einem Remix gehuldigt. Doch die Leichtigkeit, mit der man heute einen Loop bauen kann, stimmt ihn nachdenklich:

Ich bin Anti-Ableton. Für die Jugend heute ist es leichter als für mich, als ich 15/16 war. Ich hatte keine Software und Synths. Ich musste hart arbeiten für meine Drum-Machine, musste Platten zum samplen finden, Loops bauen. Meine Finger waren danach wund. Es ist einfach gefährlich heute, weil es so einfach ist, einen Track zu machen. Der Inhalt geht verloren. Es geht nur noch darum: „Hey, ich mach‘ ein Album und komm aufs Cover von Fader und auf Pitchfork oder MTV.“

Wenn man Sumach Ecks zuhört, merkt man, wie gespalten und nachdenklich seine Haltung zu seiner Musik und Musik im Allgemeinen ist, denn auch der Erfolg seiner Karriere hat zwei Seiten:

Viele Leute denken, es ist leicht und glamourös, so ein Leben auf Tour zu führen. Aber ich musste erfahren wie hart es ist, an diesen Punkt zu kommen, dieses Leben zu führen. Es ist so hart, eine Platte zu machen, die so gut ist, dass du ins Flugzeug steigen und auf Tour gehen kannst. Danach bist du wieder zu Hause, wo du unendlich viel Arbeit in die Musik steckst für das nächste Album. Ich liebe es, durch die Welt zu reisen und will mich nicht beschweren, aber andererseits habe ich auch gar nicht die Zeit, mir die ganzen Städte und Sachen anzusehen, die ich gerne würde. Es ist harte Arbeit.

Wenn GonjaSufi nicht auf Tour ist und keine Beats baut, dann lehrt der Mann aus San Diego Yoga. Für ihn ist der Unterschied zwischen Musik und Yoga gar nicht so groß:

Wenn ich lehre, dann lerne ich auch immer etwas, z.B. meine eigenen Probleme außen vorzulassen, wenn ich eine Unterrichtsstunde gebe. Es geht nicht um mich, sondern um die Anderen. Ich muss mein Ego draußen vor der Tür lassen, in die Seelen und Augen meiner Schüler schauen und erkennen, was mit ihnen los ist. Ich muss einen Weg finden, mit den Leuten zu kommunizieren, ohne dass sie es persönlich nehmen. Manchmal möchte ich den Leuten gern den Arsch aufreißen: „Wie oft muss ich dir sagen, du sollst deine verdammten Knie und Ellenbogen nicht einknicken.“ Ich muss mich dann zusammennehmen und im ruhigen Ton sagen: „Hey, warum bist du heute nicht in der Lage diese Übung zu machen.“ Und genauso ist es auf der Bühne: Ich erwarte nichts von den Leuten, ich gebe einfach. Doch wenn am Ende die Leute ein paar Dämonen ausgeschwitzt haben, dann hat’s funktioniert.

Auch wenn man GonjaSufis Gabe, die Seelen der Menschen lesen zu können, skeptisch gegenüber steht, seine Musik ist ein Spiegel der Menschen: Unperfekt, unfertig, grob, aber doch emotional. Das bewirkt schließlich, dass man doch mal wieder in sich selbst rein hört. Und mal ehrlich, so ein bisschen Spirit hat doch noch keinem geschadet.


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