EURO 2016 | Gewalt von Hooligans in Lille

„Rendez-Vous mit der Geschichte“

Bereits im Vorfeld der EURO 2016 sorgten sich viele um die Sicherheit. Schließlich war die Angst vor Anschlägen groß. Doch jetzt sind es die Zusammenstöße von Hooligans, die die ersten Tage der Europameisterschaft überschatten. Hat Frankreich diese Gefahr unterschätzt?

In zweifelhafter Tradition

Es ist das zweite Vorrundenspiel. Deutschland müht sich zu einem 2:2 gegen Jugoslawien. Rund um das Spiel gibt es massive Ausschreitungen zwischen deutschen Hooligans und der Polizei. Nach dem Abpfiff kommt es zu einem Ereignis, das Helmut Kohl später als „nationale Schande“ bezeichnen wird.

Eine Gruppe von deutschen „Fans“ greift den Polizisten David Nivel an und schlägt ihn brutal zusammen. Sechs Wochen liegt er im Koma und leidet bis heute an den Folgen. Es ist der tragische Höhepunkt von gewaltsamen Ausschreitungen rund um die Weltmeisterschaft in Frankreich 1998.

Eine neue Welle der Gewalt durch Hooligans?

Auch 2016 bestimmen bislang Ausschreitungen verfeindeter Fangruppen die Berichterstattung rund um das Turnier in Frankreich. Dieses Mal verwüsten englische und russische Hooligans die Küstenstadt Marseille. Ein britischer Fan wird so schwer verletzt, dass er reanimiert werden muss. Er schwebt noch immer in Lebensgefahr. Es ist sicher nicht das „Rendez-Vous mit der Geschichte“, das die UEFA im Kopf hatte, als sie den Slogan der EM festlegte.

Kaum jemand, so scheint es, hat mit diesem Ausmaß an Gewalt gerechnet. Erschreckend sind auch die Bilder, als russische Anhänger nach dem Abpfiff den englischen Besucherblock stürmen und auf die Zuschauer einprügeln. Die französischen Behörden wirken in Anbetracht dieser Gewalt überfordert.

Es gibt ein Roll-Back der Hooligans. Das hat damit zu tun, dass es eine enge Verbindung von Hooligans und Rechtsextremismus gibt. Mit diesen rechtsradikalen Gruppen nimmt auch die Brutalität in den Auseinandersetzungen zu. – Gunter Pilz, Soziologe und Fanforscher

Schuld ist der Rechtsruck

In Expertenkreisen ist man sich einig, dass diese neue Qualität der Gewalt auch mit dem Rechtsruck in Europa zusammenhängt. In der Vergangenheit waren Hooligans meist unpolitisch. Spätestens seit dem Aufmarsch von HoGeSa in Köln ist aber nun klar, dass sich diese Grenzen auch in Deutschland aufgelöst haben. Ein weiteres Indiz dafür lieferten deutsche Neonazi-Hooligans vor dem Spiel zwischen Deutschland und der Ukraine.

Einer der renommiertesten deutschen Fanforscher ist Gunter Pilz. Im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Anke Werner erklärt er, warum die Hooligans wieder im Aufschwung sind.

Die Sicherheitskräfte haben die Gefahr, die von den Hooligans ausgeht, unterschätzt. Die Behörden haben sich vorab geweigert, Hilfe und Unterstützung anzunehmen.Gunter A. Pilz