Forschungsquartett | Wie frei sind wir?

Die Grenzen der Freiheit

Wie definiert man Freiheit, wenn sie für jeden etwas anderes bedeutet? Und gibt es überhaupt absolute Freiheit? Wir haben uns mit vier Wissenschaftlern unterhalten, die sich in ihrer Arbeit mit einem der größten Ideale unserer Zeit beschäftigen.

Freiheit, Gesetz und Ordnung

Seit 70 Jahren garantiert das Grundgesetz Freiheit für Richterinnen und Richter. Das heißt, sie können, basierend auf Gesetzen, frei über Recht und Unrecht entscheiden. Wie diese Unabhängigkeit der Justiz verhandelt wird, damit beschäftigen sich Konrad Duden vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht und Jasper Kunstreich vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte. Sie sagen: Eine absolute Freiheit gibt es nicht. Denn die Grenzen zwischen Politik und Justiz verschwimmen. Und das geschieht nicht nur in zunehmend autokratisch regierten Staaten wie Polen oder Ungarn, sondern auch in Deutschland. Zwar ist der Rechtsstaat stark, doch immun gegen kleine „Nadelstiche“ ist er nicht.

Ein Ideal gestern und heute

Wie wir unseren Rechtsstaat verstehen, hat vor allem mit unserer Geschichte zu tun. Lorraine Daston vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin ist Historikerin und forscht unter anderem zur Freiheit der Wissenschaft. Auch für sie ist Freiheit ein Ideal, ein Richtwert. Und vor allem eine Idee, die immer im jeweiligen geschichtlichen Kontext betrachtet werden muss. Erst dann könne man Freiheit, aber auch ihre Grenzen verstehen.

Sehnsucht hier und dort

Sozialanthropologen wie Chris Hann vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle betrachten vor allem soziale Beziehungen, um Handlungsweisen und Ideen zu verstehen. Er erforscht unter anderem Nostalgiegefühle in ländlichen Regionen in Ungarn.

Wenn ich an meine Bekannten in Ungarn denke, dann legen die meisten meiner Freunde sehr großen Wert auf Freiheit, und das in einem eher klassischen, westlich-liberalen Sinn. Anders ist es, wenn ich an meine Freunde aus der Kleinstadt Tázlár denke. Die Leute hier haben kaum Berührung mit westlicher politischer Theorie und daher hört man hier eher: ‚Freiheit bedeutet für mich, dass meine Kinder einen Job finden, der gerade mal so weit entfernt ist, dass ich meine Enkel am Wochenende sehen kann.‘ – Chris Hann

Innerhalb welcher Grenzen können wir wirklich frei sein? Darüber haben die detektor.fm-Redakteurinnen Eva Weber und Lara-Lena Gödde mit verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in einer langen Folge des Forschungsquartetts gesprochen.