Ist das gerecht? | Ermahnung wegen zu langsamer Arbeit – Richter klagt

Zu gründlich oder einfach faul?

Weil er weniger Fälle als seine Kollegen bearbeitet, hat die Ex-Präsidentin des OLG Karlsruhe einen ihrer Richter ermahnt. Den Vorwurf empfindet dieser als Eingriff in seine Unabhängigkeit. Mehrere Juristen haben aus Solidarität Strafanzeige gegen die Ex-Präsidentin gestellt. Ist das gerecht?

Der Fall des Richters Thomas Schulte-Kellinghaus beschäftigt Medien und Justiz seit Jahren. Angefangen hat alles 2012. Nach einer Sonderprüfung seines Dezernats hat sich herausgestellt, dass der betroffene Jurist angeblich zu langsam arbeitet. Seine Erledigungsquote für Verfahren lag bei 68 Prozent des durchschnittlichen Pensums.

Der damaligen Gerichtspräsidentin des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Christine Hügel, ist das zu wenig gewesen. Der Vorwurf: „Ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte.“

Unabhängigkeit der Richter bedroht

Schulte-Kellinghaus hat sich daraufhin in seiner richterlichen Unabhängigkeit bedroht gesehen. Seiner Meinung nach, würde er nur dann mehr Fälle bearbeiten können, wenn er weniger gründlich vorgehe. Aus diesem Grunde hat er gegen das Vorgehen der Ex-Präsidentin geklagt. Momentan liegt der Fall in Revision beim Bundesgerichtshof.

Ein Richter ist kein normaler Angestellter, der in eine Hierarchie eingebaut ist. Er ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege und muss unabhängig entscheiden. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Aus Solidarität mit Schulte-Kellinghaus haben mehrere Juristen im Juni 2016 Strafanzeige gegen Christine Hügel gestellt. Sie unterstellen ihr nicht nur einen Verstoß gegen dienstrechtliche Befugnisse, sondern auch Nötigung in besonders schwerem Fall.

Außerdem kritisieren sie das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, da diese der Landesregierung untersteht und das Verfahren nicht unbefangen führen könne. In der Klage heißt es: „Für die Landespolitik ist es in der Regel wünschenswert, dass Richter ihre Rechtsanwendung nach der Anzahl der ihnen zugewiesenen Fälle richten.“

Ein Fall mit politischer Dimension

Das endgültige Urteil wird in jedem Fall eine Signalwirkung haben, denn die Entscheidung steht für einen Grundsatzkonflikt der deutschen Justiz:
Auf der einen Seite besteht das Interesse an zeit- und kostensparender Verfahrenserledigung seitens der Justizverwaltung und auf der anderen Seite müssen die Richter unabhängig in ihrer Arbeitsgestaltung und Urteilsfindung sein und sich gründlich mit einem Fall beschäftigen.

Die Anzeigen liegen bei der Staatsanwaltschaft Freiburg vor und werden geprüft. Die Entscheidung über die Einleitung eines Strafverfahrens wird wahrscheinlich bis Oktober 2016 gefällt, da sonst der Tatbestand der Nötigung verjährt.

Wie der Rechtsanwalt Achim Doerfer den Fall einschätzt, erklärt er im Interview mit detektor.fm-Moderator Konrad Spremberg in der Serie „Ist das gerecht?“.

Der Bürger ist völlig hilflos, wenn sein Richter nicht unabhängig ist. Aber ich finde zumindest die Nötigung im Ergebnis ein bisschen weit hergeholt. Es muss schon die Möglichkeit geben, Verfahren zu beschleunigen.Achim Doerfer 

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