Ist das gerecht? | EuGH grenzt kirchliches Arbeitsrecht ein

Das Menschenrecht und die katholische Kirche

Nach zweiter Ehe vom katholischen Arbeitgeber entlassen? Das ist Diskriminierung, wie der Europäische Gerichtshof urteilt. Damit greift das Gericht erneut in kirchliches Arbeitsrecht ein.

Das Urteil

Darf eine katholische Klinik einen Arzt entlassen, weil dieser das zweite Mal geheiratet hat? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass es sich dabei um Diskriminierung handelt.

Konkret geht es um die Klage eines Chefarztes gegen ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf. Dort hatte man die standesamtliche Wiederheirat des Arztes als „schwerwiegenden Loyalitätsverstoß“ gegen das Kirchenrecht gewertet. In höheren Positionen sei eine Lebensweise entsprechend der katholischen Glaubens- und Sittenlehre angebracht.

Kirchliches Arbeitsrecht

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass der EuGH in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingreift. Unter diesem Recht sind Religionsgemeinschaften vor staatlicher Einflussnahme weitgehend geschützt. Mit anderen Worten: Sie dürfen ihre Anliegen selbst regeln. Bereits im April hatte der EuGH mit einer Entscheidung kirchliches Arbeitsrecht eingeschränkt. Bewerber und Bewerberinnen an kirchlichen Einrichtungen unterliegen fortan nicht in jedem Fall dem Konfessionszwang. Stattdessen müssen die unterschiedlichen Fälle abgewogen werden. Ähnlich ist die Grundlage auch in diesem Fall:

Es gilt zwar nicht das gleiche Arbeitsrecht bei den Kirchen. Aber es muss zumindest geschaut werden, wie nah der Arbeitsplatz an der Verkündungstätigkeit der Kirchen dran ist. Je weiter er weg ist, desto weniger kann ein religiös konformes Verhalten des Arbeitnehmers verlangt werden. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Europäischer Gerichtshof vs Bundesverfassungsgericht

Mit diesem Urteil stellt sich der EuGH gegen eine vorherige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte im Fall des gekündigten Chefarzt nämlich das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gestärkt. Zur weiteren Prüfung wird dieser Fall nun erst mal zurück vor das Bundesarbeitsgericht gehen.

Hier widerspricht und überschneidet sich die recht kirchenfreundliche deutsche Verfassung mit der säkular geprägten europäischen Menschenrechtskonvention. Deswegen kann man zu diesen unterschiedlichen Ergebnissen kommen. […] Und die armen Richter beim Bundesarbeitsgericht können nun sehen, was sie daraus machen. – Achim Doerfer

Über das kirchliche Arbeitsrecht und das Urteil des EuGH hat detektor.fm-Moderatorin Astrid Wulf mit Rechtsanwalt Achim Doerfer gesprochen.

Ein ganz skurriles Ergebnis, dass der Europäische Gerichtshof die Menschenrechte eines Katholiken gegen die katholische Kirche schützen musste.Achim Doerfer 

Redaktion: Valérie Eiseler


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