Ist das gerecht? | Schlupflöcher beim Mindestlohn

Mindestlohn nur dank Urlaubs- und Weihnachtsgeld?

Können Arbeitgeber den Mindestlohn umgehen, indem sie Urlaubs- und Weihnachtsgeld darauf anrechnen? Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Ja, die Arbeitgeber dürfen das. Allerdings sei das nicht in jedem Fall möglich, erklärt Rechtsexperte Achim Doerfer.

Der Mindestlohn

Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Davon profitieren vor allem die rund 3,7 Millionen Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Sie soll das Mindestlohngesetz vor Dumpinglöhnen schützen. Damit wollte die Bundesregierung die Zahl der Arbeitnehmer verringern, die trotz Vollzeitbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind. Der gesetzliche Mindestlohn setze eine feste Grenze, die in Zukunft nicht mehr unterschritten werden darf, heißt es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Schon bevor das Gesetz beschlossen wurde, kam Kritik von Seiten der Gewerkschaften auf. Sie kritisierten, dass es zu viele Schlupflöcher gibt. Die Arbeitgeber könnten die neue Regelung zu leicht umschiffen – und Arbeitnehmer eben doch für effektiv weniger als den Mindestlohn arbeiten lassen.

Wir können ja nicht absehen, was es da noch an kreativen Ideen gibt. Aber das ist vom Gesetzgeber auch hingenommen. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Urlaubs- und Weihnachtsgeld angerechnet

So ein Schlupfloch hat eine Tochterfirma des städtischen Klinikums in Brandenburg an der Havel gefunden. Sie hat vor dem neuen Gesetz 8,03 Euro Stundenlohn gezahlt, dazu gab es Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Um im Jahr 2015 dann auf den Mindestlohn zu kommen, hat sich die Firma mit einem Rechentrick geholfen.

Sie hat das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusammengelegt. Die Angestellten bekommen dann jeden Monat ein Zwölftel dieser Summe. Dies wurde in einer Betriebsvereinbarung festgelegt. Damit stieg der Stundenlohn rechnerisch auf 8,69 Euro die Stunde. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Diese Praxis ist in diesem Fall erlaubt.

Das Unternehmen kann so den Mindestlohn zahlen, ohne insgesamt wesentlich höhere Personalkosten zu haben. Aber ist das denn gerecht? Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist auch die Kritik am Mindestlohngesetz wieder aktuell: „Das Urteil macht deutlich, dass die Bundesregierung beim Mindestlohngesetz nicht sorgfältig genug gearbeitet hat“, kritisierte Thüringens Arbeitsministerin Heike Werner (Die Linke).

Wie das Gericht sein Urteil begründet hat und welche Arbeitgeberleistungen mit dem Mindestlohn verrechnet werden dürfen, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Sara Steinert mit Rechtsanwalt Achim Doerfer in unserer Serie “Ist das gerecht?” gesprochen.

Der Gesetzgeber hat da nur die Grundzüge geregelt. Er überlässt es dann den Gerichten, die Lücken zu schließen. Die können es im Einzelfall dann auch besser.Achim Doerfer 

Redaktion: Jannik Gräfen