Ist das gerecht? | Sterbebegleitung

Gibt es eine Pflicht zur Wiederbelebung?

Der Bundesgerichtshof hat heute über die sogenannte Sterbebegleitung verhandelt. Angeklagt waren zwei Ärzte aus Berlin und Hamburg, die suizidwillige Patientinnen in den Tod begleitet hatten. Ihnen wird nun vorgeworfen, sie hätten lebenserhaltende Maßnahmen einleiten müssen. Ist das gerecht?

Ist Sterbebegleitung strafbar?

Sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet, suizidwillige Patienten wiederzubeleben, wenn sie im Sterben liegen? Der Außensenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig hat sich mit der sogenannten Sterbebegleitung befasst. Im konkreten Fall geht es um zwei Ärzte aus Berlin und Hamburg. Sie hatten ihre Patientinnen bei der Selbsttötung begleitet und nach Eintreten der Bewusstlosigkeit darauf verzichtet, lebenserhaltende Maßnahmen einzuleiten – auf den ausdrücklichen Wunsch der Patientinnen hin.

Wir müssen hier unterscheiden zwischen einer Beihilfe, also jemandem, der im Hintergrund steht und selber keine Tatherrschaft hat, aber ansonsten alle weiteren Schritte dem Patienten überlässt und einem Arzt, der aktiv wird. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Der Bundesgerichtshof musste nun klären, ob Ärzte und Ärztinnen sich strafbar machen, wenn sie Menschen, die zuvor freiwillig eine tödliche Medikamentendosis geschluckt haben, nicht wiederbeleben.

Bundesgerichtshof bekräftigt Freisprüche

In Berlin nahm eine chronisch kranke Frau eine mehrfach tödliche Dosis Schlafmittel zu sich. Danach informierte sie ihren Arzt. Als der bei ihr eintraf, lag sie bereits im Koma. Wie zuvor vereinbart, begleitete er sie in den Tod. In einem anderen Fall betreute ein Hamburger Mediziner zwei über 80-jährige Patientinnen, während sie starben. So hatten sie es von ihm verlangt. Auch sie hatten davor eine tödliche Dosis Medikamente eingenommen.

Die Gesellschaft ist moderner geworden, lässt dem Menschen mehr Freiheit und Würde. Auch über das Ende seines eigenen Lebens zu entscheiden. Und es wäre eben wichtig, dass das hier nochmal festgezurrt wird. – Achim Doerfer

Beide Fälle liegen schon einige Jahre zurück. Die zuständigen Landgerichte in Hamburg und Berlin hatten die Mediziner zunächst freigesprochen. Allerdings legten die verantwortlichen Staatsanwaltschaften Revision gegen die Urteile ein. Heute bekräftigte der BGH die Freisprüche. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund sieht darin ein grundlegendes Urteil für die Medizinerschaft in Deutschland.

Über die Rechtslage zur Sterbebegleitung hat detektor.fm-Moderatorin Amelie Berboth mit Rechtsanwalt Achim Doerfer gesprochen.

Es geht darum: Achten wir das Leben oder die Menschenwürde höher?Achim Doerfer 

Redaktion: Sören Hinze, Yannic Köhler und Oliver Haupt