Ist das gerecht? | Wenn Zivilcourage bestraft wird

Die Entzauberung der kleinen Helden

Zivilcourage? Ja, aber nicht in jedem Ausmaß. So hat eine Richterin im Prozess gegen einen 22-jährigen Ludwigsburger geurteilt. Er hatte im vergangenen Sommer in eine Schlägerei eingegriffen. Der Fall sorgt für große Kontroversen, denn obwohl die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch plädiert hat, bekommt der Mann eine Bewährungsstrafe. Ist das gerecht?

Zivilcourage – gut portioniert

Es gibt sie tatsächlich: tragische Helden der Zivilcourage. Menschen wie Dominik Brunner oder Tuğçe haben gezeigt, dass Mut auch das eigene Leben fordern kann. Doch auch im juristischen Sinn wird Zivilcourage nicht immer gewürdigt.

Was einem in diesem Land juristisch drohen kann, wenn man die politisch so häufig geforderte #Zivilcourage zeigt: https://t.co/l354V52Hfk

— Christian Reinboth (@reinboth) 12. Februar 2016

Eigentlich verlangt Zivilcourage keine Helden, sondern nur besonnenes Einschreiten. In den beiden prominenten Fällen hat sich gezeigt, dass sich die Akteure unnötigerweise selbst in Gefahr gebracht haben. Zivilcourage fordert keine Hilfe um jeden Preis, sondern den Schutz des Opfers gleichermaßen wie den Schutz des Helfers selbst.

Ermittlungsfehler der Polizei

Im aktuellen Fall hat es damit begonnen, dass sich ein 22-Jähriger vor dem Amtsgericht in Ludwigsburg wegen Körperverletzung vor Gericht verantworten musste. Er soll grundlos einem Mann bei einer Schlägerei den Kiefer gebrochen haben. Dabei ist aber nicht berücksichtigt worden, dass der Mann die Prügelei eigentlich unterbinden wollte. Doch entlastende Zeugenaussagen sind zuerst ignoriert worden. Stattdessen saß der Angeklagte in Untersuchungshaft.

Es gab eine Reihe von Ermittlungspannen bei der Polizei. Das geht ja schon mal gar nicht. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Die Gerichtsverhandlung ist nun im Februar fortgeführt worden. Jetzt unter dem neuen Gesichtspunkt, dass der Mann beim Befreien des Opfers um sich geschlagen und dabei einen Angreifer ernsthaft verletzt hat. Sowohl für die Verteidigung, als auch für die Staatsanwaltschaft ist der Fall klar: Der Angeklagte muss freigesprochen werden.

Doch die Richterin entscheidet anders: Die Hilfe sei übertrieben gewesen. Zwar wird das Strafmaß von gefährlicher auf fahrlässige Körperverletzung heruntergestuft, einer Bewährungsstrafe kann sich der Angeklagte dennoch nicht entziehen.

Hier sieht man, was passiert, wenn die Richterin nicht nach Gerechtigkeit, sondern nach Sicherheit und Ordnung sucht. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt

Gibt es einen Beweggrund, Zivilcourage derart zu bestrafen? detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange hat mit Rechtsanwalt Achim Doerfer über die Grenzen der Zivilcourage und die Prinzipien des Amtsgerichts gesprochen.

Der Fall ist wirklich interessant, um mal zu zeigen, wie es teilweise vor deutschen Amtsgerichten zugeht.Achim Doerfer 

Redaktion: Johanna Siegemund


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