Kita-Streik

Eltern im Ausnahmezustand

Kinder haben und dennoch berufstätig sein? Das ist unter deutschen Eltern keine Seltenheit. Sie können sich bei der Betreuung ihrer Kinder auf die Kindertagesstätten verlassen. Seit 2013 haben Eltern zudem einen rechtlichen Anspruch auf einen Kitaplatz. Wie abhängig Eltern wirklich von dem Betreuungsangebot sind, wird ihnen momentan schmerzlich bewusst.

Bereits seit März hatten ver.di, die Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft (GEW) und der Beamtenbund (dbb) zu mehreren Warnstreiks aufgerufen. Davon betroffen waren nicht nur Erzieher, auch Sozialarbeiter oder Behindertenbetreuer haben regelmäßig die Arbeit niedergelegt.

Anfang Mai hatten die Gewerkschaften ihre Mitglieder an die Urnen gerufen. Diese stimmten mit jeweils über 92 Prozent für einen unbefristeten Streik. Damals hieß es noch, der Ausstand solle notfalls bis nach Pfingsten gehen. Mittlerweile ist die dritte Woche im Kita-Streik fast vorbei und noch kein Ende in Sicht.

Mehr Anerkennung durch Lohnerhöhung

Die Gewerkschaften fordern eine Aufwertung der Sozial- und Erzieherberufe, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch monatlich auf dem Konto der Arbeitnehmer. Das soll durch eine höhere Eingruppierung der fast 240.000 kommunal Beschäftigten erreicht werden. Dadurch würden Lohnerhöhungen von bis zu 20 Prozent, im Schnitt etwa zehn Prozent gewonnen werden. Aber es geht auch darum, einen niedrigeren Betreuungsschlüssel durchzusetzen. Das würde weniger Kinder pro Erzieher oder Erzieherin bedeuten und ebenfalls zur Entlastung beitragen. Für den Verhandlungspartner, die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), ist das nicht zu bezahlen. Bereits fünf Verhandlungsrunden sind gescheitert.

Eltern suchen verzweifelt nach Alternativen

Der Streik geht mittlerweile so sehr ins Eingemachte, dass viele Eltern weder Ein noch Aus wissen und sagen: Wir haben Verständnis für euch, liebe Erzieher, ihr müsst jetzt auch Verständnis für uns haben, denn wir wissen nicht weiter. – Björn Staschen, Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung Hamburg

Eltern sehen sich vor die Aufgabe gestellt, kurzfristig und über einen ungewissen Zeitraum ihre Kinder zu versorgen. Viele mussten sich frei nehmen, Verwandte und Freunde zur Betreuung organisieren oder gar das Kind mit zur Arbeitsstelle nehmen. In einigen Städten wurden Notfallbetreuung in den Kitas eingerichtet, häufig von den Eltern selbst. Nach drei Wochen sind jedoch die meisten Möglichkeiten erschöpft. Außerdem sind die Eltern verärgert, dass die teuren Kitagebühren in den Sand gesetzt werden. Teilweise gibt es immerhin  Möglichkeiten, die Gebühren für den Streikzeitraum erstattet zu bekommen.

Dennoch fordern viele ein schnelles Ende des Streiks. In Hamburg und Köln haben aufgebrachte Eltern mit ihren Kindern die Rathäuser besetzt, um auf ihren Notstand aufmerksam zu machen. Sie finden, dass der Streik nicht die Arbeitgeber, sondern viel mehr die Eltern trifft.

Demos sollen Druck erhöhen

Was aber ganz wichtig ist, ist, dass aus unserer Sicht an jedem Tag an dem gestreikt wird, auch verhandelt werden muss. Es kann nicht sein, dass seit 13 Tagen gestreikt wird und niemand miteinander verhandelt. – Björn Staschen

Gewerkschaften und VKA schieben sich gegenseitig die Schuld für das Verhandlungsstop zu. Beide Partien bezeichnen sich als verhandlungsbereit, wollen aber ihre Forderungen nicht anpassen. Ver.di will nun mit Demos und weiteren Forderungen den Druck auf die VKA erhöhen. Am Donnerstag waren in Frankfurt und Hamburg über 25.000 Menschen für mehr Lohn und eine Aufwertung der Sozialberufe auf der Straße.

Über die Notlage der Eltern im Kita-Streik spricht detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Björn Staschen. Er ist Vorstandsmitglied des Landeselternausschusses Kindertagesbetreuung Hamburg und hat selbst drei Kinder.

Ich finde, dass frühkindliche Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Kosten für Kindertagesbetreuung müssen sich alle teilen.Björn Staschen 

Redaktion: Mona Ruzicka