Berichte über Amokläufe und Attentate: Fragen an den Presserat

Der Spagat der Medien

Würzburg, München, Ansbach: Die Rolle der Presse wird nach den Gewalttaten viel diskutiert. Einerseits sollen Journalisten schnell berichten, andererseits ethische Grenzen einhalten. Hinzu kommen Falschmeldungen aus den sozialen Netzwerken und die Gefahr, Nachahmungstäter zu inspirieren. Was also tun? Ein Anruf beim Deutschen Presserat.

Werther-Effekt der Nachahmungstäter

Knapp die Hälfte aller Amokläufer sind Nachahmungstäter. Auch der Täter in München hat die Amokläufer von Winnenden und dem norwegischen Utøya genau studiert. Bei Berichten über Selbstmorde ist dieses Phänomen der Inspiration als der „Werther-Effekt“ bekannt. Der Klassiker von Goethe hat damals nach Erscheinen eine Suizidwelle ausgelöst. Auch Attentäter wie der junge Syrer in Ansbach, haben sich von Vorbildern inspirieren lassen.

Heutzutage kommt eine neue Konstante hinzu: Neben den erkennbaren Gemeinsamkeiten, mit denen sich die Nachahmer identifizieren, hoffen sie zusätzlich auf Belohnung durch mediale Aufmerksamkeit. Dies wiederum versetzt Medien in eine schwierige Lage. Wie sollen sie mit der Kriminalberichterstattung umgehen?

Einerseits will die Presse detailliert berichten, und auch die Verkaufszahlen spielen natürlich eine große Rolle. Andererseits sollte sie keine unnötige Plattform für potenzielle Nachahmer bieten und auch die Hinterbliebenen respektieren. Ein unmöglicher Spagat?

Pressekodex als sanftes Mahnmittel

Ein ethisches Regelwerk, das Journalisten an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert, existiert bereits: Der Pressekodex des Deutschen Presserates besteht aus 16 Abschnitten. Er mahnt unter anderem an, dass „die Presse auf eine unangemessene sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid“ verzichten solle.

Eine freiwillige Selbstkontrolle ist immer nur so gut wie ihre Akteure. – Edda Eick, Deutscher Presserat

Eine solche Angemessenheit ist für viele jedoch subjektiv. Hinzu kommt, dass der Ausschuss des Presserates nur Rügen erteilen kann, aber keine Sanktionen verhängen.

Schnelle, ungefilterte Meldungen im Internet

Besonders kompliziert ist die Gesetzeslage bei schnellen Internetportalen und sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter. Hier kommen die Meldungen oft von Privatnutzern. Sowohl Hasspostings als auch Privatinformationen der Attentäter landen somit sofort beim Publikum.

Facebook arbeitet zwar mittlerweile mit dem FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.V.) zusammen, allerdings können sie oft nicht schnell genug agieren. Dabei ist es schwierig einzuschätzen, was zensiert werden muss. Weil die Unternehmen haften, wenn Postings negativ auffallen, schauen sie deshalb lieber oft weg. Deswegen fordern Politiker mittlerweile mehr Restriktionen im Netz.

Über die Schwierigkeit der Berichterstattung und die moralischen Verpflichtungen der Presse angesichts von Amokläufen hat detektor.fm-Moderator Lucas Kreling mit Edda Eick vom Deutschen Presserat gesprochen.

Der Pressekodex gibt eigentlich genug Anleitung, um Zurückhaltung zu üben.Edda Eick 

Redaktion: Natalie Meinert

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