Arbeitsrecht: TUI fly muss nach Massen-Krankmeldungen 108 Flüge streichen

Kollektiv krank: Was ein „Kalter Streik“ bedeutet

Nur zehn von eigentlich 108 geplanten TUI fly – Flügen konnten am heutigen Freitag von Deutschland, Österreich und der Schweiz aus starten. Der Grund: Hunderte Crewmitglieder haben sich krank gemeldet. Was ein Arbeitgeber da tun kann – und was das für geschädigte Kunden bedeutet.

Am Mittwoch ist offiziell bekannt gegeben worden, dass Teile der hochverschuldeten Airline airberlin mit TUI fly fusionieren sollen. Am Freitagmorgen haben sich daraufhin überraschend nahezu alle Piloten und Flugbegleiter krank gemeldet. 54 Hin- und ebenso viele Rückflüge nach Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind betroffen. Nach Angaben von TUI fly wurden die Flugaufträge nahezu aller Reisenden gekündigt. Allerdings würden die festsitzenden Urlauber außerhalb Deutschlands betreut und darin beraten, auf welche Alternative sie zurückgreifen können. Für den Freitag gab es lediglich fünf Hin- und Rückflüge, vier nach Antalya und ein einziger nach Mallorca.

Stummer Protest – Personal fühlt sich hintergangen

Gewerkschaften sagen: Das Flugpersonal fühle sich über die Fusion schlecht informiert. Bereits 2009 kam es zu einer ähnlichen Situation, als Teile der Airline von airberlin aufgekauft wurden. 14 Maschinen fliegen seitdem für den vermeintlichen Konkurrenten. Dieser Deal musste damals aber ausgehandelt werden, da aufgrund einer falschen Vermarktungsstrategie Verluste eingefahren wurden und Einsparungsmaßnahmen drohten, sowohl beim Material als auch beim Personal.

Steckt hinter dem kollektiven Krankmachen der Crew also eine geplante Aktion, ein „stummer Protest“? Das ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Sowohl TUI fly als auch Gewerkschaften sagen lediglich, es seien Krankheitsfälle und Fälle „psychischer Belastung“.

Auf Nachfrage weisen die Gewerkschaften jegliche Vorwürfe zurück, nach denen sie bei der Koordinierung der Krankheitsfälle behilflich oder involviert gewesen sein sollen. TUI fly selbst prüft zum jetzigen Zeitpunkt, ob das Personal tatsächlich krank ist. Dazu müssten beispielsweise alle betroffenen Piloten und Flugbegleiter zum Amtsarzt und sich eine Bescheinigung ihrer angegebenen Krankheit ausstellen lassen, was nahezu unmöglich erscheint. Die Urlauber müssen dennoch hinnehmen, dass ihre Reise per TUI fly erst mal gestrichen ist.

Kalter Streik – und die Frage nach dem Recht

Fest steht, dass es einen derartigen Fall in dieser Dimension bei einer Airline in Deutschland noch nicht gegeben hat. Dadurch gibt es noch keine Urteile, auf die sich bezogen werden könnte oder mit denen sich Vergleiche anstellen ließen. Wie verhält es sich also arbeitsrechtlich, wenn sich nahezu die gesamte Belegschaft kollektiv krank meldet?

Manuela Gerhard, Fachanwältin für Arbeitsrecht, hat sich für detektor.fm in den Fall „TUI fly“ eingelesen:

Es ist schon auffällig, dass sich so viele Arbeitnehmer krank melden. Aber ob sie sich alle abgesprochen haben oder ob es einfach ein Dominosteineffekt war, ohne Absprache, ist nicht bekannt. […] Im Zweifel wird es der Arbeitgeber gar nicht nachweisen können. – Manuela Gerhard, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Sollte  TUI das Ganze aber dennoch nachweisen können, könnte es zu einer Abmahnung aller beteiligten Crew-Mitglieder kommen. Auch eine Kündigung könnte infrage kommen, wenn sich der Betrugsfall bestätigen sollte. Der daraus entstandene Schaden könnte dadurch von TUI durch die „Arbeitnehmerhaftung“ von jedem beteiligten Mitglied des Flugpersonals eingeklagt werden. Das müsste jedoch im Einzelfall geprüft werden.

Den rechtlichen Hintergrund hat Fachanwältin Manuela Gerhard detektor.fm-Moderatorin Maja Fiedler erklärt.

Wenn ich meinem Arbeitgeber bewusst Schaden zufüge, muss ich dafür aufkommen.Manuela Gerhard 

Redaktion