Sex-Ebbe bei jungen Japanern

Auf Spurensuche nach der Lust

Sex halten nicht wenige für die schönste Nebensache der Welt. Das sehen junge Japaner zunehmend anders. Viele von ihnen bleiben weit über die Jugend hinaus Jungfrau. Etliche geben sogar an, gar kein Interesse an Sex zu haben. Es herrscht Ebbe in den japanischen Schlafzimmern. Woher kommt diese Sex-Verdrossenheit?

Laut einer Umfrage hatten in Japan knapp ein Viertel der 30- bis 40-jährigen Männer noch nie Sex. Das könnte nicht nur ein unglücklicher Zufall sein, sondern pure Absicht: Knapp die Hälfte der Frauen und ein Viertel der Männer unter 24 Jahren geben in einer Studie an, sich für Sex überhaupt nicht zu interessieren. Während in Deutschland fast zwei Drittel der 17-jährigen schon sexuelle Erfahrungen gemacht haben, ist es in Japan genau umgekehrt. Dort geben 68 Prozent der 18 bis 19-Jährigen an, Jungfrau zu sein.

Vielfältige Ursachen

Die Ursachen für die mangelnde sexuelle Lust in Japan sind sicherlich vielfältig. Zum Einen wird vermutet, dass Menschen in Japan mit zunehmender Arbeitsbelastung und hohem sozialen Druck kaum mehr Zeit und Muse dafür finden, sich nach einem passenden Partner umzuschauen.

Zum Anderen soll auch mangelnde Aufklärung über den Körper des anderen Geschlechts bei vielen Unsicherheit und Scham auslösen. Andere spekulieren wiederum, dass die verschlechterte wirtschaftliche Situation einigen einen Strich durch die Lebensplanung mache. Traditionelle Rollenbilder und gesellschaftliche Tabus sollen es außerdem für junge Japaner immer schwieriger machen, Beziehungen und Sex mit ihren Zukunftsvorstellungen zu vereinbaren.

Man hat viele Erwartungshaltungen, denen man entsprechen muss und es wird zunehmend schwieriger, diese zu realisieren. – Ronald Saladin, Japanologe von der Universität Trier

Liebe 2.0

Um den Verzicht auf feste Liebesbeziehungen zu kompensieren, gibt es in Japan viele Angebote. So können ledige, aber dennoch liebesbedürftige Japaner und Japanerinnen etwa einen Host oder eine Hostess für unverbindliche Flirts und vorgegaukelte Gefühle bezahlen.

Ein Großteil der jungen Generation ist allerdings im Netz aktiv, und genau an diesem Punkt setzen zahlreiche Erfinder und Anbieter an. Websites bieten virtuelle Partner an, die dem User die große Liebe vorspielen – und die sollen sich großer Beliebtheit erfreuen. Videospiele, mit denen man Sex simulieren kann, gelten als Kassenschlager.

Sind das alles nur verklemmte Sozialphobiker, die lieber bei Mama und Papa zuhause vor dem PC sitzen, als sich zu vergnügen – oder doch eine lustlose Generation? detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange hat mit dem Japanologen Ronald Saladin von der Universität Trier über die gewollte oder ungewollte Abstinenz der jungen Japaner gesprochen.

Sex beziehungsweise Beziehungen allgemein werden zunehmend als eine Belastung gesehen.Ronald Saladin 

Redaktion: Mona Ruzicka