Stadtgespräch | SV Darmstadt 98 in Bundesliga

„Nimm dich in acht, Pep. Die Kabine stinkt enorm.“

Der kleinste Etat der Liga, ein Stadion auf Amateurniveau und eine Mannschaft, die eher für ihre Mentalität denn ihr Spielqualität bekannt ist. Trotzdem gelingt dem SV Darmstadt 98 innerhalb von fünf Jahren der Aufstieg aus der vierten Liga in die 1. Bundesliga. In der kommenden Saison kommen dann die Fußballriesen ins Böllenfalltor-Stadion. In Zeiten von Retortenvereinen und Kommerz für viele ein echtes Fußballmärchen.

Mit dem 1:0 Sieg gegen St. Pauli am Wochenende gelingt dem SV Darmstadt 98 der Aufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga.  Damit vollbringt der Verein ein kleines Wunder. Das „Fußballwunder“ ist ein vermutlich inflationär gebrauchter Begriff. Aber in diesem Fall trifft er schlicht zu.

Sportlich schon abgestiegen…

Noch vor zwei Jahren ist der Verein fast schon in die 4. Liga abgestiegen. Sie bleiben nur, weil dem Ligakonkurrenten Kickers Offenbach, die Lizenz entzogen wird. Im vergangenen Sommer steigen die Darmstädter dann überraschend auf. Jetzt ist die zweite Liga nur eine Zwischenstation in die erste Liga gewesen. Das haben bisher in über 50 Jahren Bundesligageschichte nur sechs Vereine geschafft.

Dem SV Darmstadt 98 ist das trotz schlechtester Rahmenbedingungen gelungen. Ein Team aus „gescheiterten“ Profis und dem geringsten Etat der Liga, von gerade einmal fünf Millionen Euro. Dem FC Bayern im Vergleich stehen etwa 160 Millionen zur Verfügung.

Traditionsklub schlägt Retortenverein

Der SV Darmstadt 98 gilt nicht als neureicher Retortenverein. Einem Verein wie RB Leipzig, einem Konkurrenten um den Aufstieg in die erste Liga, steht schätzungsweise der sechsfache Etat zur Verfügung. Warum haben sich die Darmstädter trotzdem durchsetzen können? Darmstadt hat zwar die wenigsten Gegentore der Liga kassiert, aber die gute Defensivarbeit allein kann es nicht gewesen sein. Der mannschaftliche Zusammenhalt und der Kampfgeist dürften zusätzlich ausschlaggebend gewesen sein.  Man sagt, dass beim SV Darmstadt 98 schon mal die Frau des Präsidenten einen kranken Spieler nach Hause fährt.

Das sanierungsbedürftige Darmstädter Stadion, das Platz für nur etwa 16.000 Zuschauer bietet, hat eher Amateur-Niveau. Logen gibt es keine im Böllenfalltor-Stadion, 80 Prozent der Zuschauer stehen und weil es nicht genug Toiletten gibt, hilft man neben den Tribünen mit Dixie-Klos nach. Außerdem hat der Verein aus Kostengründen keinen Manager. Der Etat wird auch in der kommenden Saison, trotz Mehreinnahmen, deutlich hinter dem der anderen Erstligisten zurückbleiben. Der Klassenerhalt wäre in Anbetracht dieser Fakten das nächste Fußballwunder.

Für die Fußballromantiker bleibt anzumerken, dass schon seit zwei Jahren über ein neues Stadion gesprochen wird. In wenigen Jahren, Ziel ist die Fertigstellung bis 2018, soll sich zumindest das Stadion nicht mehr von anderen Bundesligisten unterscheiden.

Einmal durchwischen, wenn Pep kommt

Die Darmstädter, die zuletzt 1982 erstklassig spielten, blicken humorvoll auf die kommende Erstliga-Saison:

Wenn der Pep kommt, werden wir die Kabine noch einmal feucht durchwischen – scherzt Präsident Klaus Rüdiger Fritsch.

Und Torhüter Christian Mathenia mahnt:

Nimm dich in acht, Pep. Die Kabine stinkt enorm. – Torhüter Christian Mathenia

Über das Fußballmärchen in Darmstadt und die Erwartungen nach der Party, hat Moderator Alexander Hertel mit Frank Leber vom Darmstädter Echo gesprochen. Er beobachtet den Verein schon länger und hat die Aufstiegsfeierlichkeiten in Darmstadt miterlebt.

Das Ziel muss sein, den Verein langfristig in der 2. Bundesliga zu etablieren. Der Klassenerhalt in der 1. Bundesliga wäre das noch größere Wunder.Frank LeberPrivat 

Dienstags schaut detektor.fm in eine deutsche Metropole und fragt, welche Themen und Diskussionen die Menschen bewegen. In Gesprächen mit Künstlern, Journalisten und Politikern stellt Ihnen die Redaktion die spannendsten Themen der jeweiligen Stadt vor und kommentiert aktuelle Debatten.

Alle Folgen finden Sie hier. Sie wollen ‘Das Stadtgespräch’ jede Woche hören? Dann hier den Podcast abonnieren!

Redaktion: Julia Jirmann