Vermisste Flüchtlingskinder

Einfach verschwunden?

Hundertausende minderjährige Flüchtlinge sind allein im vergangenen Jahr in Europa angekommen, manche in Begleitung ihrer Familien. Doch ein großer Teil reist unbegleitet. Immer mehr von ihnen gelten mittlerweile als vermisst und sind der Gefahr ausgesetzt, in kriminellen Strukturen ausgebeutet zu werden.

Entgegen einiger Klischees sind unter den Geflüchteten nicht nur junge Männer. 27 Prozent der Neuankömmlinge sind laut Europol minderjährig und ein Großteil von ihnen ist ohne Begleitung ihrer Eltern unterwegs. Über 60.000 von ihnen leben allein in Deutschland. Viele sind in Jugendheimen, Wohngruppen oder in Pflegefamilien untergebracht, doch über den Verbleib einiger tausend Jugendliche ist nichts bekannt, sie gelten somit als vermisst. In Deutschland trifft dieses Schicksal fast 5.000 junge Menschen.

Existenzielle Ängste und Krieg treiben die Familien dazu, dass sie ihren Kindern bessere Chancen geben wollen und sie nach Europa schicken. – Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des deutschen Kinderschutzbundes

Das ungewisse Schicksal der Flüchtlingskinder

Europol geht von mindestens 10.000 geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus, deren Spur sich in Europa verloren hat. Sie wurden zunächst registriert, doch über ihr weiteres Schicksal kann nur spekuliert werden. Sicherlich werden viele zu ihren Familien und Verwandten weitergereist sein, aber nicht alle.

Einige wissen überhaupt nicht, wohin, sind in großer Not und wandern durch die Städte. – Paula Honkanen-Schoberth

Ausbeutung und Missbrauch

Die Minderjährigen, die dem Radar der europäischen Behörden entwichen sind, sehen sich vielen Gefahren ausgesetzt. Neben den Problemen, die aus einer unbekannten Umgebung, Kultur und Sprache resultieren, haben sich auch zunehmend kriminelle Strukturen gebildet, die Profit aus der Notsituation der Geflüchteten schlagen.

#BKA: fast 5.000 unbegleitete #Flüchtlingskinder in #Deutschland vermisst – Schicksal ungewiss https://t.co/SpoRUIkRk6

— Der Tagesspiegel (@tagesspiegel) 3. Februar 2016

Zusätzlich zur Abzocke beim Einschleusen der Menschen aus Syrien oder Eritrea stiegen viele der kriminellen Hintermänner nun in das Geschäft des Menschenhandels ein, so der Europol-Stabschef Brian Donald im Gespräch mit dem britischen „Observer“. Für die Geflüchteten bedeutet das Ausbeutung in Form von Sklaverei oder Sexarbeit. Besonders die Minderjährigen, die allein unterwegs sind, sind hier gefährdet.

Über die Umstände der Flucht für Kinder und Jugendliche und die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, hat detektor.fm-Moderatorin Constanze Müller mit Paula Honkanen-Schoberth gesprochen. Sie ist die Bundesvorsitzende des deutschen Kinderschutzbundes.

Die Kinder sind in großer Not, verängstigt, haben keine Begleitung und sind schutzlos, sowohl auf der Route nach Europa als auch in den Städten.Paula Honkanen-Schoberth 

Redaktion: Markus Vorreyer