Zurück zum Thema | 40 Jahre Kirchenasyl

Welchen Schutz bietet die Kirche?

Wenn das Asylverfahren scheitert, haben Geflüchtete noch eine letzte Hoffnung: das Kirchenasyl. In Deutschland gibt es das seit 40 Jahren. Welchen Schutz bietet die Kirche?

Kirchenasyl entstand in Berlin

Dass Kirchen ein Zufluchtsort für alle sein sollen, folgt einer jahrhundertealten Tradition. 1983 hat die Kirchenasylbewegung in Deutschland aber richtig Schwung bekommen. Vor 40 Jahren hat sich der türkische Asylbewerber Kemal Altun im Berliner Verwaltungsgericht aus dem Fenster gestürzt. An dem Tag musste entschieden werden, ob er länger in Deutschland bleiben durfte oder zurück in die Türkei geschickt werden würde, wo er politisch verfolgt wurde. Sein Suizid ist zum Auslöser geworden. Kurz danach hat die Berliner Heilig-Kreuz-Kirchengemeinde geflüchtete Personen aufgenommen, die von Abschiebung bedroht waren. Mittlerweile haben sich Kirchengemeinden aus ganz Deutschland in einer Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Aktuell werden mindestens 655 Personen durch Kirchenasyl geschützt.

Wir versuchen mit Kirchenasyl Menschen, denen bei einer Abschiebung Gefahr für Leib und Leben drohen würde, dazu zu verhelfen, dass der Staat noch einmal auf die Situation schaut.

Dietlind Jochims, Theologin und Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche und Bundesvorsitzende der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche"

Foto: Jonas Nahnsen

Eine rechtliche Grauzone

Das Kirchenasyl ist gesetzlich aber nicht klar geregelt und regelmäßig werden Verantwortliche strafrechtlich verfolgt. Angesichts der zunehmenden Zahl geflüchteter Personen steigt auch der politische Druck. Trotzdem nehmen Gemeinden weiterhin Geflüchtete in ihre Obhut, allerdings nur dann, wenn aus ihrer Sicht die Sicherheit im Heimatland infrage steht. Für die jeweiligen Fälle müssen sie Dossiers erstellen, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nochmal geprüft werden. In allen Bundesländern gibt es auch Härtefallkommissionen, die abgelehnte Asylverfahren erneut prüfen können. In dieser ganzen Zeit dürfen Geflüchtete ihre Räume — manchmal wohnen sie sogar in der Kirche selbst — nicht verlassen. Außerhalb der Kirche könnten sie jederzeit verhaftet werden.

Wenn das Kirchenasyl als ein solches offenes Kirchenasyl durchgeführt wird, dann ist es eben kein Untertauchen, denn die Behörden wissen ja, wo sich die Person aufhält.

Marcel Keienborg, Rechtsanwalt für Asyl- und Migrationsrecht

Welchen Schutz bietet das Kirchenasyl, das bespricht detektor.fm-Moderatorin Sara-Marie Plekat mit Dietlind Jochims in dieser Folge von „Zurück zum Thema“. Sie ist Theologin und Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche und Bundesvorsitzende der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“. Zur rechtlichen Einordnung des Kirchenasyls äußert sich der Rechtsanwalt für Asyl- und Migrationsrecht Marcel Keienborg.