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Wie rassistisch ist die Berichterstattung?

Sogenannte Familien-Clans sind ein Teil der organisierten Kriminalität in Deutschland – und ein beliebtes Thema für Polizeireporter und Boulevard-Journalisten. Werden in der Berichterstattung rassistische Klischees reproduziert?

Clan-Kriminalität als „nicht-deutsches“ Phänomen?

Shisha-Bars, protzige Autos und enthemmte Gewalt: so wird das Bild arabischer „Familien-Clans“ oft gezeichnet. Doch was ist überhaupt „Clan-Kriminalität“? Das Bundeskriminalamt definiert sie als „Kriminalität von Mitgliedern ethnisch abgeschotteter Subkulturen“. Dieser Begriff ist nicht nur schwammig, sondern schließt auch deutschstämmige kriminelle Familien aus. Das fördert die Verbindung von Kriminalität und rassistischen Klischees, die auch oftmals in der medialen Darstellung von „Clan-Kriminalität“ zu finden sind. Auch deshalb wurde Spiegel.TV im letzten Jahr der Schmähpreis „Goldene Kartoffel“ von den neuen deutschen medienmacher*innen verliehen. Sie sehen die Berichte von Spiegel.TV als Geburtsstunde eines „eigenen Mediengenres“ – und das ist ausdrücklich nicht als Lob gemeint.

Das Bild, was in solchen Dokumentationen vermittelt wird, ist verzerrt, wird imaginiert. Da haben, glaube ich, einige zu viel ‚4 Blocks‘ oder ‚Tatort‘ gesehen.

Mohamed Amjahid, Journalist

Foto: M. Heinke

Doch nicht nur arabische „Familien-Clans“ sind ein beliebtes Thema. Auch „Familien-Clans“ von Romnja und Roma werden oft klischeehaft beschrieben. Headlines wie „Roma-Clans: Elend als Geschäftsmodell“ erzeugen den Eindruck einer homogenen Personengruppe, deren ethnische Identität Grundlage für Kriminalität wäre. Bezeichnungen wie der „Pate von Berlin“ lassen zudem auf eine alles kontrollierende Macht schließen.

Zwischen journalistischer Relevanz und Überrepräsentation

Das mag übertrieben sein, aber: organisierte Kriminalität ist in vielen Großstädten ein Problem. Dahinter stecken Gruppen wie die Hells Angels oder die italienische Mafia , aber eben auch in Teilen Organisationen, die von zum Teil arabischstämmigen Familien geleitet werden. Dass diese „Clans“ aber nur acht Prozent der organisierten Kriminalität in Deutschland ausmachen, zeigt, wie medial überrepräsentiert „Clan-Kriminalität“ gegenüber den anderen 92 Prozent ist.

Diejenigen, die damit [Clan-Kriminalität] nichts zu tun haben, werden nicht stigmatisiert und diskriminiert. Das ist alles Quatsch.

Ralph Ghadban, Islamwissenschaftler

Was ist nötige Berichterstattung, was rassistisches Klischee? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Johannes Schmidt mit Mohamed Amjahid, der etwa über „Clankriminalität“ als rassistische Kategorie in der Kriminalstatistik schreibt. Außerdem spricht er mit dem Islamwissenschaftler Ralph Ghadban, der Morddrohungen erhält, seit er im libanesischen Fernsehen die Gefahr der kriminellen Gangs thematisiert hat.