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Eine Dosis, zwei Millionen Dollar

Spinale Muskelathropie, kurz SMA, ist eine für Neugeborene oft tödliche Erbkrankheit. Das Medikament Zolgensma kann ihnen nun das Leben retten und wird vom Hersteller Novartis weltweit verlost. Eine Lotterie mit dem Leben?

2,1 Millionen Dollar pro Dosis

Spinale Muskelathropie (SMA) ist die Erbkrankheit, die bei Neugeborenen am häufigsten zum Tod führt. Der Pharmakonzern Novartis hat mit Zolgensma ein Medikament auf den Markt gebracht, das den Krankheitsverlauf mit einer einzigen Anwendung, kurz nach der Geburt, weitgehend stoppen kann. Einziger Haken: Eine lebensrettende Dosis des Medikaments kostet derzeit 2,1 Millionen US-Dollar. Außerdem ist das Medikament bisher nur in den USA zugelassen.

Dennoch hat Novartis am Montag die Verlosung von 100 kostenlosen Zolgensma-Behandlungen weltweit gestartet.

Es hilft einigen wenigen, es wäre wunderbar, wenn es allen helfen würde.

Klaus Schwersenz

Laut Konzern sei das Herstellungsverfahren zu aufwendig, um eine flächendeckende Versorgung weltweit sicherzustellen. Zumindest, solange weitere Produktionslizenzen noch ausstehen. Schätzungen gehen von knapp 400.000 Betroffenen aus, die an SMA erkrankt sind. Durch die Verlosung von Überschüssen aus den USA könne immerhin weiteren Betroffenen geholfen werden, so Novartis. Medizinethiker werfen dem Pharmakonzern dagegen eine unmoralische Werbekampagne vor. Bei Angehörigen von SMA-Patienten sollen Bedürfnisse geweckt werden, um einen höheren Druck auf die Politik auszuüben. So soll das Zulassungsverfahren beschleunigt werden.

Ich würde empfehlen, in der Situation keine Lotterie zu machen, sondern abzuwarten, bis die etablierten Zulassungsverfahren abgeschlossen sind. Und dann sollte das Medikament zu einem vernünftigen Preis zugelassen und verkauft werden.

Prof. Dr. Georg Marckmann

Foto: Yves Krier

Wem nützt die Verlosung?

Normalerweise müssen Medikamente erst auf EU-Ebene zugelassen werden, bevor sie in Deutschland verwendet werden dürfen. Wenn ein Medikament für schwer kranke Menschen aber die einzige Aussicht auf Besserung bietet, kann die zuständige Bundesbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut, im Rahmen eines Härtefallprogramms trotzdem eine kostenlose Versorgung sicherstellen.

Das Paul-Ehrlich-Institut hat am Montag ein solches Härtefallprogramm für die Versorgung von SMA-erkrankten Neugeborenen mit Zolgensma gestartet. Somit ist eine Teilnahme an der Verlosung durch Novartis auch in Deutschland möglich.

Verteilung von teuren und seltenen Medikamenten per Los – ist das ein moralisch vertretbares Modell? Klaus Schwersenz ist Vater eines an SMA erkrankten Kindes und hat mit anderen Eltern die „Initiative SMA“ gegründet. Er erzählt uns, wie er als Betroffener die Verlosung von Zolgensma wahrnimmt. Der Medizinethiker Prof. Dr. Georg Marckmann gibt uns seine Einschätzung zu der moralischen Kontroverse, die Novartis ausgelöst hat. detektor.fm-Moderatorin Karoline Döhne führt durch den Podcast.

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