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Warum hat Deutschland keine Opioidkrise?

Mehr als 166 000 Menschen in Deutschland sind laut Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums abhängig von Opioiden. Nicht zuletzt weil hier mehr Schmerzmittel verordnet werden als in den meisten anderen Ländern. Doch eine Opioidkrise wie in den USA gibt es nicht. Warum?

Hat Deutschland ein Problem mit verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln? Der Blick auf die Zahlen ist erst mal alarmierend. Alleine die Erstverschreibung von Opioiden bei chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen ist hierzulande zwischen 2000 und 2010 um 37 Prozent gestiegen. Werden die Opioide richtig als Schmerzmittel verwendet oder ergänzend zu anderen Schmerztherapien eingesetzt, ist die Verschreibung allerdings nicht besorgniserregend. Problematisch wird es, wenn die verschriebenen Schmerzmittel süchtig machen. Am häufigsten wird Methadon missbraucht: In Europa setzt jede dritte Person, die Methadon verschrieben bekommt, das Opioid missbräuchlich ein.

Schmerzmittel und Suchtmittel

1 276 Menschen sind 2018 in Deutschland am Konsum illegaler Drogen gestorben. Die häufigste Todesursache war dabei eine Überdosis von Opioiden wie Heroin oder Morphium. Alleine der Missbrauch dieser beiden Opioide war für 629 Todesfälle verantwortlich. Das Durchschnittsalter der Opfer lag bei 38, unter den Opfern waren also auch viele junge Menschen. Von der Sucht nach Opioiden sind insgesamt in Deutschland mehr als 166 000 Menschen betroffen. Viele von ihnen sind süchtig nach Opioiden, die nicht medizinisch eingesetzt werden, zum Beispiel nach Heroin. Doch auch verschreibungspflichtige Medikamente werden missbraucht. Und in Deutschland werden mehr Opioide verschrieben als in den meisten anderen Ländern.

Es soll nicht so sein, dass die Patienten viel leiden müssen oder viel Schmerzen ertragen müssen. Das ist der Grund, warum auch relativ viele Opioide verschrieben werden.

Dr. Sonja Lisch, Fachärztin für Schmerztherapie

Oxycodon, Fentanyl, Codein und Heroin

Außerhalb von Deutschland ist die Lage oft noch verheerender. Laut einem Bericht der OECD nimmt Missbrauch opiatähnlicher Schmerzmittel in Europa deutlich zu. In den USA ist seit Jahren sogar von einer Opioidkrise die Rede. Jedes Jahr sterben dort Zehntausende an dem Missbrauch von Opioiden wie Heroin oder Fentanyl. Die vielen Todesfälle von Opioidsüchtigen sind der Grund, warum die Lebenserwartung der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner zeitweise sogar zurückgegangen ist. In Deutschland bestehe allerdings kein Grund zur Sorge vor einer ähnlichen Entwicklung wie in den USA, hat 2019 die damalige Bundesregierung verlauten lassen.

[D]ie Betrachtung der Gesamtsituation in Deutschland [deutet …] nicht auf eine aktuell drohende oder sich für die absehbare Zukunft abzeichnende Problematik durch unangemessene ärztliche Verschreibungen von Opioiden hin.

Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion, 13.12.2019

Wie gefährlich sind Opioide? Und warum hat die USA eine Opioidkrise, Deutschland aber nicht? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Lars Feyen mit der Fachärztin für Schmerztherapie Dr. Sonja Lisch.

Redaktion