Zurück zum Thema | Verdachtsberichterstattung

Rammstein: Wie geht Verdachtsberichterstattung?

Wenn Medien über einen unbestätigten Verdacht berichten, dann ist das ein heikles Unterfangen. Warum machen sie es trotzdem und was gilt es zu beachten?

Berichterstattung trotz Unschuldsvermutung?

Die Aufgabe von Medien ist es, über Tatsachen zu berichten. Ihre Aufgabe ist es aber auch, Missstände aufzudecken, selbst wenn es noch keine abschließend belegten Beweise dafür gibt. So geschehen auch aktuell im „Fall Rammstein“. Es gibt mittlerweile Vorwürfe gegen zwei Mitglieder der deutschen Band. Zahlreiche mutmaßliche Betroffene sprechen von Machtmissbrauch und von sexuellen Übergriffen durch den Sänger Till Lindemann. Vor kurzem wurden weitere Vorwürfe gegen den Keyboarder der Band veröffentlicht. Juristisch gilt die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen ist. Dass trotzdem über die vermeintlichen Vorfälle berichtet wird, liegt an einem besonderen journalistischen Privileg: der Verdachtsberichterstattung. Die erlaubt es Journalistinnen und Journalisten, auch über Dinge zu berichten, die sich am Ende als falsch herausstellen könnten.

Es kann aber auch vorkommen, dass Gerichte bestimmte Aspekte einer Berichterstattung untersagen. So hat das Landgericht Hamburg gerade dem SPIEGEL untersagt, bestimmte Vorwürfe gegen Lindemann weiterzuverbreiten, weil hier die Beweislage aus Sicht des Gerichtes unzureichend ist.

Solche Berichte korrelieren natürlich häufig mit der Unschuldsvermutung und insbesondere dann, wenn Berichte identifizierend sind. Da hat die Rechtsprechung bestimmte Regeln entwickelt, nach denen Medien sich richten müssen.

Stefanie Schork, Rechtsanwältin für Presse-und Medienrecht

Foto: Erik Weiss Photography

Rechtliche Grenzen der Verdachtsberichterstattung

Die Berichterstattung über die Vorwürfe sorgt für viel Aufmerksamkeit in der Medienwelt. Das sorgt wiederum für Gegenwind von Lindemanns Anwälten. Sie kritisieren die Medienberichterstattung und sind der Meinung, dass nicht ausgewogen und objektiv berichtet worden sei. Außerdem sprechen sie von unzulässiger Verdachtsberichterstattung. Die Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung zieht dabei die journalistische Sorgfaltspflicht. Das heißt, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit muss mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abgewogen werden, das durch die Veröffentlichung angegriffen wird. Wenn etwa der Klarname eines Beschuldigten verwendet wird, muss dieser Person auch die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben werden.

Das ist genau unser Job — dass wir schauen, ob es etwas gibt, wo offenbar mehrere Leute betroffen sind und auch stark betroffen sind, und das dann öffentlich zu machen.

Daniel Drepper, leitender Reporter bei der Recherche zu Rammstein

Foto: Stefan Beetz

Wie gehen Medien also verantwortungsvoll mit Verdachtsberichterstattung um? Darüber spricht detektor.fm-Moderator Gottfried Haufe in der aktuellen Folge von „Zurück zum Thema“ mit Journalist Daniel Drepper. Er arbeitet bei der Süddeutschen Zeitung und war an der Recherche zu den Vorwürfen gegen Till Lindemann beteiligt. Stefanie Schork ist Rechtsanwältin für Presse- und Medienrecht und erklärt die juristische Sicht auf die Verdachtsberichterstattung.