Zurück zum Thema | Kolonialgeschichte

Wie sollten Zoos mit ihrem kolonialen Erbe umgehen?

Vor hundert Jahren waren Völkerschauen ein fester Bestandteil vieler Zoos. Schwarze und indigene Menschen wurden dort für ein zahlendes Publikum zur Schau gestellt. Doch die betroffenen Zoos beschäftigen sich kaum mit diesem Teil ihrer Geschichte. Wie sollten Zoos mit ihrem kolonialen Erbe umgehen?

Zoos und ihre Kolonialgeschichte

Im Europa des späten 19. Jahrhunderts wurden in vielen Zoos nicht nur Tiere ausgestellt, sondern auch Menschen. In den sogenannten Völkerschauen wurden dem weißen europäischen Publikum Schwarze und indigene Menschen in vermeintlich traditionellen Gewändern präsentiert. Carl Hagenbeck, Gründer des Tierparks Hagenbeck in Hamburg, gilt als Erfinder dieser „Menschenzoos“.

In den Völkerschauen wurden Menschen in Zoos bewusst „primitiv“ inszeniert. Sie sollten in die Nähe der Tiere gerückt werden, neben denen sie ausgestellt wurden.

Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg

Foto: UHH (Dingler)

Angeblich dienten die Völkerschauen einem pädagogisch-wissenschaftlichen Nutzen, tatsächlich konnten zahlende Besucherinnen und Besucher dort ihre Neugierde nach dem „Fremden“ und „Exotischen“ stillen. Der Tierpark Hamburg stellte beispielsweise eine „Beduinenkarawane“ aus, der Düsseldorfer Zoo präsentierte ein angeblich authentisches „Eingeborenendorf“. Mit den Schauen sollte mehr Publikum in die Zoos gelockt werden. Die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte in den Zoos geht schleppend voran. Auch heute findet man in vielen Zoos rassistisch-stereotypische Darstellungen anderer Kulturen.

Reflektierte Aufarbeitung

Während viele zoologische Gärten und Tierparks ihre NS-Vergangenheit kritisch aufarbeiten, fehlt oft die konstruktive Einordnung ihrer kolonialen Vergangenheit. Zwar erwähnt der Zoo Leipzig Völkerschauen in seiner Chronik, allerdings wird dieser Teil der Zoogeschichte weder kritisch kommentiert noch aufgearbeitet. Ganz im Gegenteil: Veranstaltungen wie der „Hakuna-Matata-Abend“ gehören auch heute noch zur Tagesordnung.

Das ist unsäglich. Wenn man sich anschaut, wie verzerrt Menschen afrikanischer Herkunft noch immer in Zoos dargestellt werden, dann merkt man, wie wenig die Zoos sich mit der Geschichte auseinandergesetzt haben.

Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland

Foto: privat

Aktivistinnen wie Wissenschaftler versuchen hingegen mit Ausstellungen und Forschungsarbeiten auf die kontroverse Kolonialzeit aufmerksam zu machen. Diverse postkoloniale Arbeitsgruppen in deutschen Städten konfrontieren regelmäßig betroffene Tierparks mit ihrer Vergangenheit. Doch die Reaktionen blieben bisher ernüchternd.

Die Ausstellung „zurückGESCHAUT“ in Berlin beschäftigt sich mit der postkolonialen Geschichte der Stadt, besonders mit den Völkerschauen. Tahir Della hat die Ausstellung mitgestaltet und ist Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen Deutschland (ISD). Mit ihm spricht detektor.fm-Moderatorin Amelie Berboth in dieser Folge von „Zurück zum Thema“. Außerdem ist der Historiker Jürgen Zimmerer dabei. Er ist Professor für Globalgeschichte an der Uni Hamburg und erklärt die geschichtlichen Hintergründe von Zoos in der Kolonialzeit.