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DOK Leipzig ist das wichtigste Dokumentarfilmfestival Deutschlands und das älteste der Welt. DOK Leipzig | Presse

DOK Leipzig 2019 | „Sugartown“, „Exemplary Behaviour“ und Symposium

Über die Wahrheit

Wie nähert man sich der Wahrheit? Die Dokumentarfilme „Sugartown“ und „Exemplary Behaviour“ versuchen es auf besondere visuelle Weise. In der ersten Ausgabe des DOK-Symposiums hingegen diskutieren Fachleute aus der Filmbranche im Dialog mit Interessierten über dieses komplexes Thema.

„Exemplary Behaviour“: Umgang mit Verurteilten

Warum werden Straftäter, die eigentlich zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden sind, frühzeitig aus der Haft entlassen? Lässt sich eine Tat wie ein Mord jemals sühnen? Diesem Paradox widmet sich der litauische Regisseur Audrius Mickevičius in seinem Film „Exemplary Behaviour“. Diese Frage treibt ihn schon länger um, denn die Inhaftierung des Mörders seines Bruders endet bereits nach fünf Jahren. Viel zu früh, meinen sicher viele. Doch sein Dokumentarfilm lässt daran zweifeln. Ein anderer Blick auf Mörder.

Über fünf Jahre dokumentiert Mickevičius den Alltag zweier Straftäter, die lebenslängliche Haftstrafen im Lukiškės-Gefängnis in Vilnius absitzen. Es gelingt ihm, den eigentümlichen Zustand eines suspendierten Lebens nachvollziehbar zu machen. Eindrucksvoll und mit viel Feingefühl nimmt er das Publikum mit auf eine emotionale Reise hinter Gitter und in das Innere der Häftlinge. Emotional auch deswegen, da der Regisseur während der Produktion verstorben ist. Seinen Herzenswunsch, nämlich die Fertigstellung des Films, hat ihm letztlich der litauische Philosophieprofessor Nerijus Milerius erfüllt, der von Beginn an in die Dreharbeiten eingebunden war.

„Sugartown“: Politik als Geschäft

Der abgesetzte Bürgermeister der griechischen Kleinstadt Zacharo lässt sich erneut zur Wahl aufstellen. Er betreibt Politik wie ein Geschäftsmann – jeder Euro an Infrastrukturmaßnahmen, jede informelle Vergünstigung lässt sich in Wählerstimmen umrechnen. Damit sein politisches Comeback glückt, schreckt er auch vor fragwürdigen Methoden nicht zurück.

Stets nah dran, dokumentiert der griechische Regisseur Kimon Tsakiris die entscheidende Woche des Wahlkampfs von Pantazis Chronopoulos. Er zeichnet mit „Sugartown“ ein äußerst genaues Bild eines Politikers, der die demokratischen Mechanismen auf perfide Art und Weise zu korrumpieren scheint. Oder ist das auch einfach nur „business as usual“?

Wem gehört die Wahrheit?

Zum ersten Mal findet in diesem Jahr im Rahmen des DOK Leipzig auch ein zweitägiges Symposium statt, das Intendantin Leena Pasanen ins Leben gerufen hat. Es ist die Reaktion auf die scharfe Kritik, die gegenüber der Festivalleitung aufgrund zweier umstrittener Filme (2017: „Montags in Dresden“ sowie 2018: „Lord of the Toys“) sowohl vom Publikum als auch in der medialen Berichterstattung geäußert worden ist. In Filmscreenings, Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Lesungen wird diskutiert, was ein Dokumentarfilm heutzutage leisten kann oder sogar muss. Welcher filmischer Mittel bedarf es, um das Gezeigte nicht kritiklos stehen zu lassen, aber auch keine vorgefertigten Meinungsbilder zu präsentieren? Und wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Meinung und Haltung? Das neu geschaffene Forum soll sich dabei bewusst nicht nur an Fachleute aus der Filmbranche richten.

Einen innovativen Ansatz, sich der Wahrheit filmisch zu nähern, stellt das Londoner Kollektiv Forensic Architecture auf dem Symposium vor. Ihr Konzept beschreiben sie als „Counter-Forensics“. Ziel der investigativen Rechercheagentur ist die Rekonstruktion von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Offenlegung staatlichen Versagens bei deren Aufklärung. Dabei greift die aus verschiedenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, aber auch Journalisten, Softwareentwicklerinnen oder Filmemachern bestehende Forschergruppe auf ungewöhnliche Methoden zurück. Sie führen Audio-Analysen durch, stellen minutiös Tat-Hergänge nach oder bauen Tatorte – beispielsweise durch Digital Modelling – originalgetreu nach. Die Ergebnisse bereitet Forensic Architecture künstlerisch auf und stellt sie der Öffentlichkeit frei zur Verfügung.

Warum „Sugartown“ sie nicht vollständig überzeugen kann und weshalb es „Exemplary Behaviour“ gelingt, ein differenziertes Bild von lebenslang Verurteilten zu vermitteln, diskutieren die detektor.fm-Moderatoren Jonas Junack und Lara-Lena Gödde. Außerdem hat detektor.fm-Redakteur Oliver Haupt mit Bob Trafford von Forensic Architecture über die unkonventionelle Arbeitsweise und die politischen Absichten des Kollektivs gesprochen.

DOK-Festival | Sugartown, Exemplary Behaviour und Symposium 23:44

Redaktion: Jonas Junack und Oliver Haupt


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