Future Library: Kunstprojekt in Norwegen

„Wir haben das Vertrauen in künftige Generationen gelernt“

Für das Projekt „Future Library“ spenden bekannte Autorinnen und Autoren ein unveröffentlichtes Manuskript. Die Veröffentlichung des Buchs werden die meisten von ihnen aber nicht mehr miterleben, denn die ist erst für das Jahr 2114 geplant.

Eine literarische Zeitkapsel

Wenn man nicht vorsichtig ist, könnte man schnell darüber stolpern: tausend kleine Fichten im norwegischen Wald von Nordmarka bei Oslo. Das wäre allerdings ziemlich schade, denn diese Fichten stehen dort für einen ganz besonderen Zweck. Sie sollen möglichst noch rund hundert Jahre stehen bleiben. Aus ihrem Holz soll im Jahr 2114 Papier hergestellt werden, für die sogenannte „Future Library“.

Die Idee für das Projekt kommt von der schottischen Künstlerin Katie Paterson. Über hundert Jahre hinweg soll pro Jahr ein unveröffentlichtes Werk von bedeutenden Autorinnen und Autoren zur Sammlung hinzu kommen. In diesem Jahr hat die türkische Autorin Elif Shafak ihr Manuskript der „Future Library“ übergeben und reiht sich damit hinter „Cloud Atlas“-Autor David Mitchell und der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood ein.

Mit dem Kontrollverlust leben lernen

Der Kern der Idee ist die Hoffnung, dass die Bücher in hundert Jahren noch ein Publikum haben. Anders gesagt, dass es in hundert Jahren noch Menschen gibt, die lesen. Die Beteiligten, ob Autoren oder Initiatoren, werden die Veröffentlichung der Manuskripte nicht miterleben. Auch die Zukunft des Walds liegt dabei außerhalb ihrer Kontrolle. Für Projektleiterin Anne Beate Hovind gehört das zur Idee der „Future Library“ dazu:

Ich wurde wirklich mit meiner eigenen Sterblichkeit, meinem eigenen Wunsch, alles zu kontrollieren, konfrontiert. Und ich musste das loslassen. Sowohl mir, als auch der Künstlerin ist das am Anfang schwer gefallen. Aber wir haben den Kontrollverlust geübt und gelernt, den nächsten Generationen zu vertrauen. – Anne Beate Hovind

Über die „Future Library“ haben wir mit Projektleiterin Anne Beate Hovind gesprochen. detektor.fm-Moderatorin Anja Bolle hat das Interview geführt, Barbara Butscher hat übersetzt. Die Antworten von Hovind wurden übersetzt von Lara-Lena Gödde.

Ich denke, die Schönheit der Idee liegt in zwei Aspekten. Zum einen, dass Menschen in hundert Jahren diesen Schatz öffnen können. Aber auch für uns jetzt, dass wir jedes Jahr Teil des Projekts sein können. Für mich persönlich, da ich dann schon tot sein werde, liegt die Schönheit also vielmehr im Verlauf, als im Endresultat. Aber die nächste Generation wird sich darauf freuen.Anne Beate Hovind 

Redaktion: Valérie Eiseler