Intersexualität – kommt das dritte Geschlecht per Gesetz?

Bei Menschen, deren Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig ist, entscheidet der Arzt, ob sie männlich oder weiblich sein sollen. Das soll sich ändern. Was eine neutrale Geschlechtskategorie verändern kann.

Dr. Michael Wunder 

„Gratulation, es ist ein…“ jetzt müsste eigentlich „Mädchen“ oder „Junge“ folgen. Aber was, wenn sich nach der Geburt da niemand sicher sein kann?

Wenn Kinder mit sowohl männlichen als auch weiblichen körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, spricht die Medizin von „Intersexualität“. Bisher ist es dann dem Arzt überlassen, zu entscheiden, welches Geschlecht in die Unterlagen des Kindes eingetragen wird. Die genitalangleichenden Operationen werden oft noch vor der Pubertät durchgeführt – ohne sicher sein zu können, wie das Kind sich selbst sieht. Nicht selten führt das später zu massiven Konflikten mit dem Selbstbild der Betroffen. Die aktuelle Praxis wird stark kritisiert, denn oft treten physische, aber vor allem auch psychische Probleme auf.

Der deutsche Ethikrat hat heute einen entscheidenden Schritt zur Verbesserung der Situation unternommen und eine „Stellungnahme zur Intersexualität“ veröffentlicht. Darin fordet er die Einführung einer dritten, neutralen Geschlechtskategorie. So sollen Intersexuelle in Zukunft bei Formularen und anderen Erklärungen „anderes“ ankreuzen können. Doch es gibt Bedenken: verbessert dieser Sonderstatus die Situation der Betroffenen, oder fördert er nur ihre Ausgrenzung?

Dr. Michael Wunder leitet die Arbeitsgruppe des deutschen Ethikrats, die sich mit der Intersexualität beschäftigt hat. Welche Argumente den Ethikrat zu seiner Position brachten, erklärt er im Interview.