Jaroslav Rudiš und sein Roman „Nationalstraße“

An der Grenze zum Humor

Ein trister Eindruck aus einer Prager Plattenbausiedlung und ein erschreckendes Portrait eines Bewohners – die Essenz des neuen Romans von Jaroslav Rudiš. Ein Autor, ein Buch, ein Studio, ein Moderator – und ein Interview.

Beim Aufschlagen des Buchs ist es ein bisschen so, als setze man sich zu ihm an den Kneipentisch, in die dunkle verrauchte Ecke, wo all diejenigen sitzen, die kaum anderes tun, als in der Kneipe sitzen. Vandam spricht uns an, in der ersten Person. Er erzählt sein Leben. Und er gibt uns Ratschläge. Wieder und wieder.

Jaroslav Rudiš in der Kneipe

Der Autor Jaroslav Rudiš saß tatsächlich mit ihm am Kneipentisch, mit dem Menschen, der das reale Vorbild für den fiktionalen Vandam ist. In einer Prager Plattenbausiedlung haben sich die beiden getroffen und miteinander getrunken. Die Stammtischparolen und das „Lebensgefühl Vandam“ sind in diesen Roman geflossen.

Rudiš zeichnet ein dunkles Bild der Prager Nordstadt, in der die Figuren keine Ziele haben, die weiter gehen als der Alkohol nach Feierabend; wo sie dem Arm zu einer Geste heben, die für sie eindeutig den Römergruß symbolisiert, nicht den Hitlergruß; wo Europäer heißt, sich abzuschotten. Und wo sich die Personen verlieren, in ihren immergleichen Stammtischfloskeln.

Er will einfach nur spannende Geschichten erzählen, sagt Jaroslav Rudiš – im Interview mit Thibaud Schremser im detektor.fm-Studio.

Wa­rum sollte man in Europa nicht mit dem römischen Gruß grüßen dürfen, Mann? Ganz Europa ist auf den Römern gebaut. Ich bin Europäer. Ihr etwa nicht?
Froster: Klar, wir alle sind Europäer.
Auf einmal strecken alle die Hand aus. Heil dem Volk! Heil Europa! Wir sind Europäer! Neger raus.
Auszug aus "Nationalstraße" von Jaroslav Rudiš 

Redaktion: Thibaud Schremser

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