N99 | Carlo Masala über die Illusionen internationaler Politik

,,Meines Erachtens nach haben wir keine Zeitenwende“

Versuche, eine stabile Weltordnung zu schaffen, sind illusorisch. Carlo Masala fordert eine realistischere internationale Politik.

Begehrter Militärexperte

Carlo Masala ist Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr. In deutschen und ausländischen Medien ist er als Kommentator begehrt. Carlo Masala ist Militärexperte und wird seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine immer wieder in die großen Polit-Talkshows eingeladen, um das Kriegsgeschehen in der Ukraine einzuordnen. Er ist auch regelmäßig im Stern-Podcast ,,Ukraine – Die Lage mit Carlo Masala“ zu hören. Masala ist davon überzeugt, dass das System der internationalen Politik grundsätzlich instabil ist und dass Versuche des Westens, die Welt zu ordnen, zum Scheitern verdammt sind. Die staatliche Politik müsse sich an den Zustand der Unordnung anpassen. Weil sich diese These seit Putins Überfall auf die Ukraine auf dramatische Weise zu bestätigen scheint, hat Masala eine Neuauflage seines 2016 erschienenen Buches ,,Welt-Unordnung – Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens“ veröffentlicht mit einem neuen Schlusskapitel über die „Zeitenwende“. Das Buch stellt er auf der Frankfurter Buchmesse vor.

Die Erkenntnis, dass diese Nationbuilding-Idee gescheitert ist, ist schon angekommen.
Die Idee, dass Demokratisierung das internationale System friedfertiger machen wird, ist nach wie vor vorhanden.

Carlo Masala, Politikwissenschaftler und Militärexperte

Desillusioniert euch

Carlo Masala warnt in diesem Buch vor den Illusionen des Westens: der Illusion, die globalen Wirtschaftsverflechtungen würden automatisch zur Verbreitung der Demokratie führen, der Illusion, die liberalen internationalen Organisationen würden zu einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen führen, aber auch der Illusion, durch militärische Interventionen ließen sich Demokratie und Stabilität exportieren. Die Niederlage des Westens in Afghanistan und Putins Krieg gegen die Ukraine haben diese Illusionen in aller Deutlichkeit offengelegt. Seitdem stehen die Grundlagen westlicher Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand. Wie können wir agieren, um in der neuen Weltunordnung zu bestehen? Auf welche Herausforderungen müssen wir uns einstellen? Welche Machtmittel stehen uns zur Verfügung? Wir brauchen wieder einen realistischen Blick auf die internationalen Beziehungen, der sich von Illusionen befreit und zu einem nüchternen Blick auf die Entwicklungen und unsere Möglichkeiten zurückfindet. Diese zentrale These von Carlo Masalas Buch ist durch die Wirklichkeit bestätigt worden. Für die Neuauflage hat er die aktuellen Ereignisse eingearbeitet und fragt, was sich ändern muss, um den neuen Herausforderungen zu begegnen.C.H.BECK

Die Welt kann also grundsätzlich nicht geordnet werden. Welche Konsequenzen diese Erkenntnis für das Handeln von Staaten hat, erklärt Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Lars Feyen.