Juri Andruchowytsch erzählt in seinem neuen Roman ,,Radio Nacht“ von einem Attentäter, der eine Revolution als Straßenpianist unterstützt.
Juri Andruchowytsch gilt als Klassiker der ukrainischen Gegenwartsliteratur. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt. Somit ist er auch europaweit einer der bekanntesten Autoren. Geboren wurde Andruchowytsch 1960 in Iwano-Frankiwsk in der Westukraine. Er hat Journalismus studiert und schreibt Lyrik, Essays und Romane. 1985 gründetet er die Autoren-Gruppe Bu-Ba-Bu (Burlesk-Balagan-Buffonada) mit.
Sein erster Roman ,,Rekreacij“ ist schon 1992 erschienen, in Deutschland allerdings erst 2019 unter dem Titel ,,Karpatenkarneval“. Bis heute hat er fünf Gedichtbände und fünf Romane veröffentlicht. Sein neuestes Buch ,,Radio Nacht“, das er dieses Jahr auf der Frankfurter Buchmesse vorstellt, ist schon vor zwei Jahren in der Ukraine erschienen. An Aktualität hat es dennoch nicht verloren. Es ist voller Andeutungen zur Situation in der Ukraine und spielt auf die Maidan-Proteste an. Dieses Jahr hat Andruchowytsch den Heine-Preis der Stadt Düsseldorf erhalten, weil er sich für europäische Werte einsetzt. Da er die Identität der Ukraine als Kulturnation vertrete, soll die Preisverleihung auch ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine sein.
Als »Barrikadenpianist« hat er die Revolution zu Hause unterstützt. In der Emigration verdient er sein Geld als Salonmusiker — Josip Rotsky, ein Mann unklarer Identität, dessen Name sich auf Trotzki, Brodsky und Joseph Roth reimt. In einem Schweizer Hotel muss er für den Diktator seines Landes spielen — und wird zum Attentäter. Nach der Haft zieht Rotsky sich in die heimatlichen Karpaten zurück. Geheimdienstler und andere Finsterlinge trachten ihm nach dem Leben. Mit seiner Geliebten Animé und dem Raben Edgar flieht er nach Griechenland. Erst auf der Gefängnisinsel am Null-Meridian ist Schluss. Dort sendet sein »Radio Nacht« rund um die Uhr Musik, Poesie und Geschichten in die sich verfinsternde Welt. Radio Nacht, in der Ukraine 2020 erschienen, ist nicht nur ein sprachliches Feuerwerk, sondern ein Gegenwartsroman von eminenter Aktualität. Klimaproteste, Pandemie, die Bedrohung durch Russland — er handelt von einer Zeit, in der die Hoffnungen auf radikale Veränderungen begraben werden. — Suhrkamp.
Über seinen Roman, die Ukraine und die Macht von Musik sprechen Juri Andruchowytsch und detektor.fm-Moderator Thilo Sauer.