N99 | Peter Licht über Kapitalismus und Kaffee

„Pusch und Pause in einem Schluck“

„Ja okay, aber“ ist das neue Buch des Musikers und Autors Peter Licht. Er erzählt darin von Kaffeemaschinen, Prokrastination und den unendlichen Weiten im Büro.

Leuchtende Sprache

Mit dem Lied „Sonnendeck“ gelingt Peter Licht („PeterLicht“) 2001 der musikalische Durchbruch. Danach folgen weitere erfolgreiche Studioalben wie „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ (2006),  „Melancholie und Gesellschaft“ (2008) und zuletzt 2021 sein achtes Album „Beton und Ibuprofen“. Der Musiker PeterLicht ist ein kreatives Allround-Talent und gilt als Meister der Wortschöpfung.

Auch als Autor ist er überaus erfolgreich: 2006 ist sein literarisches Debüt mit „Wir werden siegen – Buch vom Ende des Kapitalismus“ erschienen. Der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb hat ihn in Klagenfurt für „Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des 3. Jahrtausends“ mit dem Publikumspreis und dem 3sat-Preis ausgezeichnet. Acht Jahre später, 2014, hat er mit „Lob der Realität“ nicht nur ein neues Album, sondern auch noch ein weiteres gleichnamiges Buch herausgebracht. Das Berliner Theatertreffen hat ihn zudem 2019  mit „Tartuffe oder das Schwein der Weisen“ eingeladen. Außerdem war PeterLicht Gastprofessor am Literaturinstitut in Leipzig zum Thema „Sound und Sprache“.

Sprache in Großbuchstaben powert mehr. Denn ich betrachte Sprache nicht nur als ein stilles Phänomen, sondern als ein Physisches.

PeterLicht

Unendliche Weiten im Büro

Ein Mann mittleren Alters mietet sich in einem Co-Working-Space ein. Er will endlich vorankommen. Womit ist noch unklar, doch er spürt, es geht ums Ganze. So scheint es allen in diesem kargen wie fantastischen Co-Working-Space zu gehen. Flexible Selbstoptimierer*innen, erfahrene Förderantragsschreiber, sprachlose Call-Center-Agenten, wortgewandte Prokrastinierer und andere frei flottierende Büroexistenzen – sie alle haben viel vor und stehen doch die meiste Zeit im Pausenraum und trinken Kaffee, viel Kaffee. Denn es gilt: kein Kapitalismus ohne Kaffee.  

Der Space: Ein kleiner Raum, ein Tisch, ein Stuhl. Und im Pausenraum eine hochwertige Kaffeemaschine. Der Erzähler hat viel vor, doch dann kommt immer etwas dazwischen: Kaffeetrinken, Friseurtermin, Dokumentarfilm im Schwimmbad, Besuch von alten Bekannten, ein Konzert mit schrecklichem Ausgang, schlechte Träume von sich abschlachtenden Generälen, ein sich auftuendes Vakuum, das ihn zu verschlingen droht, solche Sachen, und immer wieder Kaffee. Doch auch die anderen kommen nicht voran. Und so stehen mit der Zeit immer mehr Leute vor der hochwertigen Kaffeemaschine herum, lauschen den Zisch- und Brumm-Geräuschen, bis sie unvermittelt beschließen, eine Party zu schmeißen. Danach wird nichts mehr so sein wie zuvor.Klett-Cotta

Über die Enge unserer Arbeitswelt, Männer als Krisenwesen und den neuen Roman „Ja okay, aber“ spricht detektor.fm-Moderator Christian Bollert mit PeterLicht.

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