Seite 37 | Schreiben im Kollektiv

Wo Autoren ihre Eitelkeit verlieren

Vor allem in der Genre-Literatur entfliehen Autoren der Einsamkeit und arbeiten im Team, doch auch Lyrik und tragische Liebesgeschichten können kollektiv geschrieben werden.

Gemeinsam statt einsam

In der vierten Folge hat sich der Literatur-Podcast „Seite 37“ mit der Frage beschäftigt, ob Autoren immer alleine schreiben müssen. Die eindeutige Antwort lautet: nein. Denn zahlreiche werdende und erfahrene Autoren tun sich zusammen, um der Einsamkeit des Schreibens zu entfliehen.

Oft kennen sich die Schriftsteller schon, bevor sie sich zu einem Kollektiv formen, und auch die Idee der Zusammenarbeit schwebt schon im Raum. Trotzdem braucht es oft noch einmal einen Anstoß von außen, meist ein Verleger mit Buchideen.

Kreativer und vielseitiger

Natürlich schließen Autorenkollektive nicht einfach ihre Gehirne zusammen – höchstens metaphorisch. Die Schriftsteller entwickeln für ihre Projekte oft gemeinsam ein Konzept oder eine Handlung. In der Regel schreiben die Autoren aber alleine, jeder für sich in seinem Arbeitszimmer.

Je nachdem wie eng die Zusammenarbeit sein soll, tauschen die Autoren ihre Texte danach. Um einen einheitlichen Ton zu bekommen, überarbeiten sie den Teil des anderen, bis sich jeder im Text wiedererkennt.

Der Text wird knallhart redigiert und schaut danach auch anders aus als vorher. Das bewirkt, dass in jeder Textstelle von uns beiden ungefähr gleich viel drinsteckt.Der Autor Volker Klüpfel 

Genreliteratur im Kollektiv

Das Autorenduo Klüpfel Kobr lässt ihren allgäuer Kommissar Kluftinger inzwischen bereits zum zehnten Mal ermitteln. Seit 15 Jahren bilden die beiden ein (Schreib-)Kollektiv. Im aktuellen Kluftinger-Band wird das Leben des Ermittlers bedroht. Der Fall führt Kommissar Kluftinger in die Vergangenheit und fast durch seine gesamte Polizeikarriere.

Bernhard Hennen hat seine ersten Schritte im Fantasy-Bereich als Autor von Rollenspiel-Abenteuer unternommen. Jahre später, als er bereits mit seinen Elfen-Romanen erfolgreich war, hat ein Literaturagent ihn gefragt, ob er um die „Phileasson-Saga“ nicht einige Romane schreiben könnte. Hennen winkte aus Zeitgründen ab, doch als ihm Robert Corvus als Co-Autor vorgeschlagen wurde, fing er doch mit der Arbeit an. Gemeinsam erzählen sie von zwei Schiffskapitänen, die sich ein Wettrennen um die Küsten der Fantasy-Welt Aventurien liefern.

Frank Maria Reifenberg und Christian Tielmann wollten in ihrer eigenen Bibliographie gerne noch einen actionreichen Roman für 13- bis 15-Jährige haben: Die „Ocean City„-Trilogie spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Während die Nationen auf dem Festland immer mehr auseinanderbrechen, haben sich einige Millionen Menschen auf eine selbstgebaute schwimmende Stadt gerettet. Sie haben sich eine hochfunktionale Gesellschaft errichtet, in der Zeit die Währung ist. Doch das System bröckelt, nachdem ein paar Jugendliche das Zeitkonto gehackt haben.

Wir haben uns dann für Christians Entwurf entschieden. Aber es kommen so schnell neue Ideen, dass man gar nicht mehr entscheiden kann, was ist eigentlich von wem gewesen. Dass es eine Floating City wird, kam von mir und die Idee mit der Zeit als Währung war von Christian.Frank Maria Reifenberg 

Ganz anders lief die Zusammenarbei zwischen Dirk Bernemann, Jörkk Mechenbier und Jan Off ab. Sie wollten zusammen ein Buch schreiben, aber nicht so viel Zeit in die Planung stecken. Entstanden ist so der Titel „Klara“: Drei Männer erzählen, wie sie eine Frau namens Klara kennen lernen und mit ihr zusammen kommen. Doch Klara ist eine impulsive Frau, sodass die Beziehungen immer in einem Chaos enden. Ob es immer die gleiche Frau ist, wollten die drei Autoren gerne offenlassen.

Einsamkeit trotz Zusammenarbeit

Egal wie eng die gemeinsame Arbeit aussieht, die einzelnen Autoren sind doch viel für sich. Oft leben nicht einmal alle am gleichen Ort und es ist ein großer organisatorischer Aufwand, alle Teile der Schreibgemeinschaft zusammen vor das Mikro zu bekommen. Zwar findet ein regelmäßiger Austausch statt – meist über das Internet – doch jeder sitzt vor seiner eigenen Schreibmaschine.

Denn zusammen schreiben heißt nicht, die Persönlichkeit abzugeben und jeden Schritt gemeinsam zu machen. Viel wichtiger ist ein stetiger Austausch von Handlungsideen und rohen Texten. Denn darin bestehen die Vorteile der gemeinschaftlichen Arbeit: Motivation, vielseitige Ideen, Arbeitsteilung und ungefilterte Rückmeldung. So wird die Einsamkeit der leeren Seiten eben doch durchbrochen.


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