Album der Woche | Amber Arcades – European Heartbreak

Ein warmer Sepia-Ton

Vor zwei Jahren hat Amber Arcades ihr Debütalbum „Fading Lines“ veröffentlicht. Für ihre verträumten Indiepopsongs hat sie viel positives Echo bekommen. Jetzt legt die Niederländerin mit „European Heartbreak“ nach. Darauf widmet sie sich der Frage, warum wir eigentlich die Vergangenheit verklären.

Das Album der Woche wird präsentiert von Dockin. Promo-Code: detektor10


Die Türen und Fenster von Europa sind venagelt, die Leute waren gelangweilt und haben sich etwas anderes gesucht. Das singt Annelotte De Graaf alias Amber Arcades in ihrem Song Goodnight Europe mit melancholischer, leicht lethargischer Stimme. Der Text ist im letzten Jahr entstanden, als das Romantisieren der Vergangenheit sich in wieder aufkommenden nationalen Bestrebungen niederschlug und rechte Parteien vermehrt Zustimmung bekamen. Dieser drohende Verlust von sicher geglaubten Werten – einem vereinten, offenen, liberalen Europa – ist nur eine Variante des Heartbreak auf dem zweiten Amber Arcades-Album European Heartbreak.

Job bei den Vereinten Nationen

De Graaf schreibt schon lange Songs, hat nach dem Abschluss ihre Jura-Studiums aber erstmal für die Vereinten Nationen und die holländische Asylbehörde gearbeitet. Nicht gerade der typische Brot-und-Butter-Job, aber so hat sie das Geld für die Aufnahmen ihres Debütalbums Fading Lines zusammengespart. Das hat sie dann auch nicht im heimischen Schlafzimmer, sondern in einem Studio in New York aufgenommen. Sie hat sich einen Produzenten gesucht und für alles selbst bezahlt. Auch für die Aufnahmen von European Heartbreak hat es sie in die USA verschlagen, dieses Mal nach Los Angeles und Richmond. Außerdem hatte sie das englische Label Heavenly im Rücken, den Job bei der Asylbehörde hat sie mittlerweile gekündigt.

Auf European Heartbreak spielt das Verklären des Vergangenen gleich in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Menschen sehnen sich nicht nur nach einem vermeintlich besseren, übersichtlicheren Leben in ihrem Land oder in ihrer Stadt. Auch zuende gegangene Beziehungen oder die eigene Kindheit sind in der Erinnerung meist von einem warmen Sepia-Ton überzogen. Das waren noch echte Abenteuer, die wir damals erlebt haben, erinnert ihr euch? Und alles analog, ganz ohne Internet! Die vielen Stunden, die man gelangweilt vor dem Fernseher gesessen oder sich mit dem Partner über Belanglosigkeiten gestritten hat, sind aus der Erinnerung gestrichen.

Bittersüß und üppig instrumentiert

Ihre bittersüßen Texte werden eingerahmt von üppigen Arrangemets. Chorgesang, Streicher und Bläser schwellen auf und ab, warme Analogsynthies knarzen, lässige Handclaps hüpfen über ein hämmerndes Klavier.

Desillusion, Melancholie, zerbrochende Freundschaften sind bei Amber Arcades aber nicht das Ende, sondern immer auch ein Neuanfang. Egal wie grau und unerfreulich es gerade sein mag, auch diese Phase geht vorüber. Und so lässt European Heartbreak den Hörer mit einem Gefühl von vorsichtigem Optimismus zurück.

Redaktion