Album der Woche: Arcade Fire – Everything Now

Brot und Spiele

Mit riesigen Pappmachémasken und Geheimkonzerten haben Arcade Fire ihr letztes Album beworben. Dieses Mal gab es ironisch-überspitzte Promo-Aktionen und Vorab-Singles, die nach Disko und Schlager klingen. Jetzt gibt’s „Everything Now“ im Ganzen.

„We can just pretend/we make it home again/from everything now“ singt Arcade Fire-Sänger Win Butler am Anfang ihres neuen Albums Everything Now. Und im Titelsong sagt er weiter: „Every inch of space in your head/is filled up with the things that you read“. Es gibt kein Entkommen aus dem nicht enden wollenden Strom von Tweets, Songs, Statusmeldungen, Breaking News und Instastories. Während Butler diesen bedauernswerten Zustand beschreibt, erklingen extrem eingängige Klavierriffs, dann ein großer Nanana-Mitsing-Refrain und zack, wackelt der Kopf und wippt der Fuss. Ein solcher Widerspruch zwischen Wohlfühl-Schunkelmelodie und kritischem Text ist nicht neu. Bei Arcade Fire wirft er die Frage auf: Ist das jetzt ironisch gemeint?

Alles! Jetzt!

Arcade Fire kritisieren auf Everything Now genau das, das „Alles jetzt“, den unendlichen Datenfluss, der uns alle Tag und Nacht beschäftigt und ablenkt – Brot und Spiele des 21. Jahrhunderts. Zum Beispiel in den zwei Varianten von Infinite Content, einmal als laute Punkrock- und einmal als zarte Akustik-Version. Hier bekommt jeder die Arcade Fire-Variante, die ihm besser gefällt, es ist alles jederzeit möglich. In Creature Comfort haben sie sich das ironische Augenzwinkern verkniffen, die Themen Ruhmsucht, Selbsthass und Suizid sind dann doch etwas zu ernst.

Musikalisch probieren sich Arcade Fire auf Everything Now an Neuem aus. Dabei haben sie sich Unterstützung vom ehemaligen Pulp-Bassisten Steve Mackey und Thomas Bangalter von Daft Punk geholt. Neben gelungenen, prächtigen Abba-esken Melodien, Disko- und Elektrofunknummern gibt es auch das ein oder andere Experiment, das Stirnrunzeln verursacht. Ein rappender Win Butler zum Beispiel wie in Signs Of Life oder den Song Chemistry, einer seltsamen Mischung aus 80s-Rock und steifem Reggae-Beat.

Ab und zu den Stecker ziehen

Em Ende von Everything Now kommen Arcade Fire wieder zur anfänglichen Feststellung zurück, dass der Datenstrom allumfassend und alles durchdringend ist. Nach ein paar Takten versöhnlichen Streichern ziehen sie den Stecker. Und um die eigene geistige Gesundheit zu erhalten, sollten wir es ihnen hin und wieder gleichtun. Ganz unironisch.

Redaktion