Album der Woche: Courtney Barnett – Tell Me How You Really Feel

Erst Verzweiflung, dann Belohnung

Vor drei Jahren hat die australische Musikerin Courtney Barnett ihr Debüt herausgebracht. Mit ihrer Kombination aus cleveren Texten und mal schluffigem, mal lautem Gitarrensound hat sie Kritiker und Fans um den Finger gewickelt. Auf ihrem zweiten Album „Tell Me How You Really Feel“ klingt sie direkter und erwachsener.

Er könne eine Schüssel Buchstabennudelsuppe essen und einen besseren Text schreiben als sie, hat ein anonymer Internettroll mal über Courtney Barnett gesagt. „Hast du aber nicht“ kontert sie ungerührt in dem Song Nameless Faceless auf ihrem neuen Album Tell Me How You Really Feel. Und weiter singt sie, dass er ihr wirklich leid tue, so einsam und voller Wut und niemand interessiert sich für ihn. Der wirklich bittere Teil folgt im Refrain, in dem sie die Schriftstellerin Margaret Atwood zitiert: „Männer haben Angst davor, dass Frauen über sie lachen. Frauen haben Angst davor, dass Männer sie umbringen“. Eine persönliche Anekdote illustriert Sexismus und Frauenfeindlichkeit im Jahr 2018. Aber es ginge ihr nicht darum, Geschlechter gegeneinander auszuspielen, erzählt sie.

Es geht nicht darum, Frauen gegen Männer auszuspielen. Aber männliche Musiker und Männer generell sollten sich aktiver an der Diskussion beteiligen und es nicht den Frauen überlassen, Probleme anzusprechen. Solche Fragen werden Frauen oft gestellt, aber Männern nicht.

Nicht nur galliger Sarkasmus

Aber es ist nicht alles galliger Sarkasmus auf Tell Me How You Really Feel. Courtney Barnett denkt laut über die Schwierigkeiten nach, eine Beziehung und Freundschaften aufrecht zu erhalten, wenn man monatelang auf Tour ist. Oder darüber, wie es ist, als eher introvertierter Mensch im Rampenlicht zu stehen, wenn man doch auch keine Antworten hat.

Geschrieben hat Barnett die neuen Songs, als sie gerade mal nicht auf Tour war oder an einem anderen Projekt gearbeitet hat wie ihrem gemeinsamen Album mit Kurt Vile. Sie hat sich dafür erstmals eine Schreib-Routine auferlegt: diszipliniert am Schreibtisch sitzen und intensiv an Songs arbeiten.

Ich habe sehr viel geschrieben für dieses Album. Zu Hause habe ich immer noch einen riesigen Stapel Papier und Notizbücher. Das meiste davon ist allerdings ziemlich schlecht. Aber ich habe schon immer hart gearbeitet. Ich glaube nicht, dass ein Song einfach so aus dem Nichts auftaucht. Bei mir ist das eher so: erst Verzweiflung und dann Belohnung, aber ich mag das.

Der Blick nach innen

Musikalisch bleibt sie ihrer bewährten Rezeptur aus Grungesound und Power Pop im Wesentlichen treu, schaltet aber öfter einen Gang runter. Vielleicht ist ja ein Überbleibsel aus ihrer Zusammenarbeit mit Kurt Vile. Der Grundton ihrer neuen Songs ist ernster. Es geht nicht mehr darum, ob man Bio-Gemüse kaufen soll, auch wenn es teurer ist, Barnetts Blick richtet sich nach innen.

Tell Me How You Really Feel hat weniger der hittigen Mitsing-Refrains als noch das Debüt. Auf ihrem zweiten Album zeigt Barnett nicht nur ihren trockenen Humor, sondern auch eine andere, verletzlichere Seite. Es lohnt, sich darauf einzulassen, denn immer wieder erkennt man darin auch sich selbst.

Redaktion