Album der Woche: Death Cab For Cutie – Kintsugi

Vergoldete Narben

Kintsugi – so heißt eine traditionelle japanische Reparaturmethode für Keramik, bei der die Bruchstellen vergoldet werden. Eine schöne Allegorie für das ebenfalls mit „Kintsugi“ betitelte achte Studioalbum von Death Cab For Cutie, die ihre ganz eigenen Bruchstellen mit elf goldenen Songs gekittet haben.

Ein bisschen Kitsch schwingt immer mit, wenn Death Cab For Cutie ihre Liebeshymnen anstimmen. Aber die Dosis stimmt. Liebeslieder, die irgendwie euphorisch und doch bedrückend sind – das können wenige so gut wie Death-Cab-Songschreiber Ben Gibbard. Das wissen wir spätestens seit dem Postal-Service-Hit „Such Great Heights“. Und auch „Kintsugi“, das achte Album von Death Cab For Cutie, spielt diesbezüglich in einer eigenen Liga.

Auseinandergehen ist schwer

„Was I in your way when the cameras turned to face you“, fragt Gibbard im Album-Opener „No Room In Frame“ und spielt damit ziemlich deutlich auf seine zerbrochene Ehe mit Schauspielern Zooey Deschanel an. „Kintsugi“ ist aber zum Glück kein Trennungsalbum über eine schiefgegangene Hollywood-Romanze. Wenngleich das Sich-Trennen und Auseinandergehen seit jeher Themenfelder sind, an denen sich Death Cab For Cutie immer wieder abarbeiten. Allerdings ist die Coming-Of-Age-Romantik früherer Alben nun ganz natürlich einer etwas gedämpften, differenzierten Sichtweise auf das Leben gewichen. Die Protagonisten in Gibbards Songs haben nun Biographien mit allerhand Brüchen. Und die sollen nicht verschleiert sondern hervorgehoben werden, ganz so wie es der Albumtitel suggeriert.

Bruchstellen mit Gold kitten – dieses Bild setzt sich bei Death Cab For Cutie im Bandgefüge fort. Letztes Jahr hat Gitarrist Chris Walla die Band im Guten verlassen. Eine Zäsur allemal, war doch Walla der Architekt des Death-Cabschen Sounduniversums. In seinem Hall Of Justice-Studio in Seattle ist ein Großteil der Alben entstanden. An „Kintsugi“ hat Walla noch mitgewirkt, das Produzieren hat er einem anderen überlassen: Rich Costey, der u.a. schon bei Franz Ferdinand und Interpol an den Reglern saß. Chris Walla war damit zum ersten Mal auf der anderen Seite des Studiofensters, zusammen mit seinem Bandkollegen in einem Raum. Und genau das war das Ziel auf „Kintsugi“. Die Band so einzufangen, wie sie live spielt.

Knutschen in der Gepäckausgabe

Das Konzept geht auf. Death Cab For Cutie klingen lebendiger als auf dem Vorgänger „Codes & Keys“, dem es rückblickend etwas an Substanz gefehlt hat. Der treibende Sound gibt den Herzensangelegenheiten von Ben Gibbard genügend Raum. Raum für Geschichten. Über die Geister der Vergangenheit, die man immer wieder aufsucht, obwohl sie doch nichts Neues erzählen. Über Atlas, der es nicht versteht, warum er die kleiner gewordene Welt nicht mehr auf seinen Schultern tragen kann. Und über eine Fernbeziehung, in der sich die Liebenden Fotos ihrer Aufenthaltsorte durch überladene Netzwerke schicken, um sich schließlich knutschend in der Gepäckausgabe wiederzufinden.

Auch wenn die Themen auf „Kintsugi“ irgendwie erwachsener sind, das Erwachsenwerden mag im Kosmos von Death Cab For Cutie nie so richtig aufhören. Man lernt eben auch mit 40 noch was dazu. Solange weitere Narben dazukommen, gibt es immer was zu erzählen. Oder wie es in „Ingenue“ so schön heißt: „The currency of being 23, it will remain the same, just by another name“.

Redaktion