Album der Woche: Destroyer – Poison Season

„Die 70er sind meine Szene“

Mit seinem letzten Album „Kaputt“ ist Dan Bejar alias Destroyer überraschend zum Indie-Star avanciert. Auf seinem neuen Album „Poison Season“ kombiniert er Weltuntergangsszenarien mit verschwenderischem Sound.

Dan Bejar ist nicht der Typ, der sich dem Musikbusiness anbiedert. Ob es nun das löchrige Jeansheamd mit Malerflecken ist oder seine etwas spröde Art. Auch die Tatsache, dass er sich schon mal öffentlich für einige seiner neuen Songs entschuldigt – sie wären zu poppig – dürfte bei seinem Label nicht gerade für Luftsprünge gesorgt haben. Denn normalerweise ist das neue Album immer das beste, was man jemals gemacht hat.

Es ist schon seltsam, dass man nicht ehrlich sein darf. Man darf nicht mal sagen, dass man unsicher ist, das ist nicht erlaubt. Jede Platte muss ein Meisterwerk sein. Natürlich ist das unser Meisterwerk.

Bruce Springsteen und Chamberpop

Diese Haltung hat sicherlich dazu beigetragen, dass es 15 Jahre und neun Alben gedauert hat, bevor seine Musik von einem größeren Publikum wahrgenommen wurde. Dabei hat Bejar als Destroyer schon seit 1996 in regelmäßigen Abständen Platten veröffentlicht und war auch Vollzeit-Mitglied der kanadischen Supergroup The New Pornographers. Aber erst seit dem Erfolg von Kaputt kennt man den Mann mit den widerspenstigen dunklen Locken und dem ernsten Blick.

Das neue Destroyer-Album Poison Season ist erwartungsgemäß kein zweites Kaputt, das sich musikalisch hauptsächlich an 80er Softrock orientiert. Die Songs auf Poison Season sind mal stampfender Bruce Springsteen-Stadionrock mit viel Saxophon, mal Chamberpop, mal irgendwas dazwischen. Dahinter stecken zwei scheinbar gegensätzliche Herangehensweisen, erzählt Bejar.

Wir wollten einerseits den Sound der Band einfangen, wenn wir zusammen spielen. Ich habe auch zum ersten mal überhaupt live gesungen. Wir haben uns im Studio getroffen, die Songs zwei, drei Mal gespielt und dann die Version ausgewählt, die uns am besten gefallen hat. Auf der anderen Seite hatte ich eine Aufnahmesession mit einem Streichquartett. Sie hatten Noten, alles war sehr sorgfältig arrangiert, das Material wurde bearbeitet. Diese Ansätze sind eigentlich unvereinbar, aber irgendwie hat es trotzdem funktioniert.

Den Song Times Square bildet einen Rahmen auf „Poison Season“. Am Anfang und am Ende taucht er als Streicher-Arrangement auf. In der Mitte kommt der selbe Song als radiotaugliche 70er-Glam-Rock-Nummer daher. Dieser groß angelegte Bandsound zieht sich durch das gesamte Album, denn in den 70ern fühlt sich Dan Bejar zu Hause.

Das kommt von ganz alleine, so klingen wir nun mal als Band. Als wir angefangen haben, in den späten 90ern als Gruppe zusammen zu spielen, mochten wir alle Bowie, Roxy Music, T.Rex, John Cale und solche Sachen. So einen bestimmten Typ kunstvoller, englischer Rockmusik. Davon gibt es Elemente auf der Platte. Die 70er sind halt meine Szene, ich wurde in den 70ern geboren und viele meiner Einflüsse sind aus dieser Zeit.

„Wortgruppen mit Noten fliegen mir zu“

Den Texten von Dan Bejar zu folgen, ist nicht so einfach. Sie sind abstrakt und poetisch, er erzählt keine Geschichten im klassischen Sinne, sondern spielt mit der Sprache.

Ich behandele Sprache ähnlich wie Musik, das ist vielleicht das Problem. Bestimmte Wortgruppen, die mit Noten versehen sind, fliegen mir zu. Ich füge sie zusammen und mache einen Song daraus. Ich höre durchaus Muster bei den Wörtern. Bestimme Bilder tauchen immer wieder auf, wie zum Beispiel eine zum Scheitern verurteilte Liebesbeziehung vor dem Hintergrund einer schlimmen politischen Lage. Das kommt häufiger in Destroyer-Songs vor.

Auf Poison Season kombiniert Destroyer kunstvoll Weltuntergangsszenarien mit einem verschwenderisch dekadenten Sound. So schnell wird ihn die Welt bestimmt nicht vergessen, auch wenn er das manchmal gern hätte.

Redaktion