2007 war für Sam Genders Schluss. Nach vier Jahren in der Band Tunng brauchte er eine Auszeit – musikalisch, sowie für seine persönliche Entwicklung. Sein Selbstbewusstsein dümpelte im Keller vor sich hin und auch finanziell sah es eher mau aus. Der Abschied von Tunng war nur logisch, denn Sam Genders wollte neue Wege gehen, um sich selbst aus der Krise zu holen. Er hängte die Musik vorerst an den Nagel. Um seine Miete aber weiter bezahlen zu können, brauchte Genders dringend einen Job – und begann, als Lehrer zu arbeiten. Keine besonders einfache Aufgabe, wenn das Selbstbewusstsein ohnehin schon strapaziert ist.
Am Anfang machte ich den Job nur des Geldes wegen, aber es wurde schnell zu einer interessanten Erfahrung und zu einer wichtigen Herausforderung. Noch nie zuvor habe ich in so kurzer Zeit so viel gelernt. Und ich meine damit keine Fakten. Sondern einfach Dinge über mich selbst. Früher bin ich jemand gewesen, der immer etwas unsicher war und sich deshalb lieber im Hintergrund aufgehalten hat. Aber dort musste ich mich den Dingen stellen. Das war am Anfang ganz schön hart, besonders das ganze erste Jahr. Danach habe ich aber gemerkt, dass ich das hinbekomme. Das hat mich verändert und zu einem optimistischeren Menschen gemacht, für den das Leben jetzt nicht mehr nur ein einziger Kampf ist.
Der Optimismus, den sich Genders über die Jahre erarbeitet hat, ließ ihn nach zwei Jahren wieder an eigener Musik schreiben. Der erste Song, der für Black Light entstanden ist, spiegelt die positive Entwicklung des Musikers wieder: Antelope ist ein fröhlicher, unbeschwerter Popsong. Die Protagonistin ist ein Mädchen, mit kleinen Ameisen unter der Haut, die Nachrichten in ihren Kopf transportieren. Als einen ebenso fließenden und stetigen Vorgang kann man sich auch das Songwriting von Genders vorstellen:
Ich neige dazu, erst einmal alles zu notieren, was mir gerade einfällt. Ich schreibe wahrscheinlich auch drei- bis viermal so viel wie nötig und suche mir dann die Sachen raus, die mir am besten gefallen. Und irgendwann während dieses ganzen Schreibvorganges bekomme ich eine Idee davon, worum es in diesem oder jenen Song eigentlich geht. Ich persönlich mag vor allem Bilder mit verschiedenen Bedeutungen. Für mich geht es bei diesem ganz bestimmten Bild um Intuition und darum, wie es sich anfühlen könnte, physisch zu spüren, was andere Menschen denken oder fühlen.
Als Produzent stand Sam Genders Mark Brydon zur Seite, der neben Róisín Murphy als Teil von Moloko bekannt wurde. Genders unterrichtete zu Beginn der Aufnahmen halbtags in der Schule – am Abend drehte er als Diagrams zusammen mit Brydon im Studio an den Reglern und bastelte an seinem Debütalbum. Genders hat an der gemeinsamen Arbeit vor allem die Klarheit fasziniert, die Brydon den einzelnen Songs verpasst hat. Mit diesem geradlinigen Sound lässt sich auch der etwas statische klingende Projektname Diagrams in Verbindung bringen:
Mark nimmt alles sehr präzise auf. Er schafft es, einen total sauberen Gesangssound hinzukriegen. Die Ideen, die ich hatte, waren also zum Teil die gleichen wie bei Tunng. Nur dass ich diesmal eben keine akustische Gitarre gespielt habe. Bei Diagrams sind es eher ganz simple Noten auf einer E-Gitarre. Melodien wie diese (summt). Sie überlagern sich vielleicht, aber die einzelnen Teile sind im Grunde genommen ganz simpel gestrickt. In meinem Kopf hatte ich also diese Vorstellung von verschiedenen Formen und geometrischen Linien. Ich hatte das Gefühl, dass das alles irgendwie ganz stimmig ist und dass Diagrams sehr gut zu alldem passt.
Genders erfindet auf Black Light keinen neuen Sound. Seine Stärke liegt in klaren und ruhigen, aber dennoch kraftvollen und auch leicht psychedelisch angehauchten Pop-Songs. Sie richten sich an ein musikalisch erwachsenes Publikum. In Animals oder Antelope werden Bläser und chorale Gesänge eingestreut – Synthies und Bässe dominieren in Black Light oder auch Tall Buildings – eine Hommage an das nächtliche Großstadtflair und das Gefühl der Grenzenlosigkeit. Diagrams balanciert auf seinem Debüt zwischen dancefloor-tauglichen Elektropop-Stücken und klanggewaltigen Songs, die in sphärische Gefilde abdriften. Zwischen schwarz und weiß – Black Light eben.