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Album der Woche: Interpol – Interpol

Interpol sind zurück. Nach Soloausflügen des Sängers Paul Banks und dem Ausstieg des Vorzeigedandys Carlos Dengler erschien letzten Freitag „Interpol“ – das mit Spannung erwartete vierte Album der New Yorker Band. Widersprüchliche Ankündigungen von „alles ganz anders“ bis „zurück zu den Wurzeln“ sorgten für einige Verwirrung unter den Fans. Diese können nun erleichtert aufatmen: Interpol klingen immer noch wie Interpol und auch ganz anders.

Wenn eine Band ein späteres Album schlicht mit dem Bandnamen betitelt, deutet das meist auf einen Wendepunkt hin. In gewisser Weise trifft das auch auf Interpol zu, da sie nach dem Ausstieg von Carlos Dengler, dem Bassisten und musikalischen Kopf der Band, als Trio weitermachen müssen. Nach einer „Band in der Krise“ – Platte hört sich Interpol jedoch ganz und gar nicht an. Im Gegenteil: Es ist ein sehr schönes, zusammenhängendes und in sich schlüssiges Band-Album geworden. Neuerungen und Experimente wurden gekonnt in den für die New Yorker so typischen dichten und etwas beklemmenden Sound eingewoben. Was hat es also mit der Selbstbetitelung auf sich? Gitarrist Daniel Kessler erklärt es:

Es ist leicht, das erste Album selbstzubetiteln. Es ist unprätentiös und die Leute haben genug damit zu tun, sich einen neuen Bandnamen zu merken. Das vierte Album selbstzubetiteln ist da schon ein Statement. Für uns war es genauso interessant wie ein längerer Titel, ein Satz oder ähnliches. Wir hatten ja schon längere Albumtitel aber es fühlte sich diesmal richtig an. Es ist einfach alles gesagt: Das ist unsere vierte Platte und man findet alle Informationen auf ihr.


Für die Aufnahmen hat sich die Band wieder in das Electric Lady Studio einquartiert, das, wie der Name schon verrät, einst das musikalische Hauptquartier von Jimi Hendrix gewesen ist. Bereits für das Vorgängeralbum hatten Interpol da einige Songs aufgenommen. Warum es ihnen gerade dort so gut gefällt, erklärt Daniel Kessler:

Das Studio ist wirklich toll. Es ist ein legendärer Ort, aber wie das manchmal so ist mit Legenden, wenn man sie sich genauer anschaut, entpuppen sie sich als Touristenfalle oder sie sind als Aufnahmestudio doch nicht so gut geeignet. Aber Electric Lady ist fantastisch, die Leute sind wahnsinnig nett und man fühlt sich sehr wohl. Es liegt ja an einer sehr lauten Straße mit viel Verkehr inmitten des West Village. Aber diese Räume machen es sehr leicht, die Welt draußen zu lassen und sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren. Außerdem steht Hendrix‘ Klavier noch dort, das haben wir auf „Our love to admire“ und „Interpol“ benutzt, es ist ein alter weißer Flügel.“

Dieser Flügel kam dann vermutlich auch in Stücken wie Always Malaise (The Man I Am) oder Try It On zum Einsatz, die – und das ist neu – vornehmlich vom Klavier getragen sind. Textlich mäandert Paul Banks in bewährter Manier zwischen Lust, Einsamkeit und Entfremdung, wagt sich gesanglich jedoch in nicht gekannte Falsetthöhen (Success) vor oder singt mit fast schon anheimelnder und völlig Interpol-untypischer Wärme.

Es ist unsere vierte Platte und Paul hat sich ein paar mehr Freiheiten als Sänger genommen. Es gibt jetzt viele Vocals, aber nicht übereinander, eher wie verschiedene Stimmen, die zu einem gemeinsamen Effekt beitragen. Er ist wirklich gut geworden, nimmt den Gesang ganz allein ohne Toningenieur auf. Das Singen fällt ihm jetzt viel leichter und es ist wichtig, dass sich der Sänger beim Singen wohlfühlt. Er kann jederzeit aufnehmen, fünf Uhr morgens oder wann immer die Inspiration kommt. Das Ergebnis ist super. Er kann genau das sagen, was er will und es genau so rüberbringen wie er möchte.

Tatsächlich scheinen Interpol mit diesem Album endlich zu sich selbst gefunden zu haben. Nachdem der Vorgänger Our Love To Admire mit seinen pompösen Blasorchestereinsätzen und Soundspielereien viele Fans eher irritiert hat, klingt die neue Platte in der Tat einfach nach Interpol. Sie haben das Tempo gedrosselt, Upbeat-Nummern wie Slow Hands fehlen komplett und man muss dem Album schon zwei oder drei Durchläufe geben, bis die Songs einsickern und ihr gesamtes Charisma entfalten.

Ich mochte schon immer Platten, die mich irgendwohin geführt haben oder mich in eine bestimmte Stimmung versetzt haben. Diese haben eine gewisse Qualität, man kann sich darin einwickeln wie in eine Decke. Ich glaube, dass wir so eine Band sind. Interpol legt man sich nicht auf und putzt dann die Wohnung, oder vielleicht doch. Aber da ist eben noch mehr, es ist wie ein Erlebnis und solche Platten mag ich. Sie versetzen dich in eine gewisse Stimmung, sie sind wie eine Erfahrung oder wie ein Film.

Interpol funktionieren nach wie vor in ihren eigenen, eng gesteckten Grenzen, loten diese aber neu aus. Die charakteristische optische und klangliche Ästhetik bleibt erhalten und wird gleichzeitig auf gekonnte Weise erweitert. Lassen wir uns also ein auf dieses Erlebnis, auf die neuen, alten Interpol.

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