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Album der Woche: Lykke Li – Wounded Rhymes

Obwohl sie aus Schweden kommt, wird Lykke Li so gut wie nie in einem Atemzug mit den zahlreichen Musiker-Kollegen ihrer Heimat genannt. Das mag daran liegen, dass sie schon mit 19 nach New York gezogen ist. Auch ihren Songs hört man an, dass sie mehr wollen, als gefälliger Indie-Pop zu sein. Ihr zweites Album macht das noch deutlicher. „Wounded Rhymes“ strebt nach Größe und schaut gleichzeitig tief in menschliche Abgründe.

Man hat es ihr zu Genüge angedichtet, doch Lykke Li wollte nie das verspielt-naive Indie-Mädchen mit den niedlichen Rehaugen sein. Und man kann es als Reaktion lesen, wenn sie in Get Some wütend faucht: Like a shotgun needs an outcome / I’m your prostitute / You gon‘ get some. Gemeint ist der Machtkampf der Geschlechter. Gerade die Musikindustrie stellt sich da gerne als Austragungsort zur Verfügung. Schnell ist man als KünstlerIn in diese oder jene Ecke gestellt. Lykke Li will aber vor allem, dass man sie anhört. Und das fordert sie auf Wounded Rhymes ein, mit aller Macht und großem Tam-Tam.

Schon der Opener gibt die Richtung vor. Donnernde Pauken und rasselnde Percussion kündigen an, dass es hier um mehr geht, als ein schüchternes Dance, Dance, Dance. Auch wenn einen die Größe des Soundgewands zunächst überrollt, so braucht es doch eben diese Brachialität, um die oft morbide Stimmung der Songs vollends zur Geltung zu bringen.

Den Texten wohnt oft eine manische Trostlosigkeit inne, die sich wehrlos vom Breitwandsound aus Trommeln, Hammond-Orgel und hymnischen Chören auf direktem Weg an die Ränder menschlicher Abgründe schieben lässt. Unerwiderte Liebe übernimmt Lykke Li eins zu eins als Song-Titel und die Traurigkeit erklärt sie in Sadness Is A Blessing zu ihrem Geliebten. Das wirkt manchmal etwas plump und unreflektiert, unterstreicht aber die im Vorfeld ausgegebene Parole „weniger Atmosphäre, mehr Direktheit“. Der eigentliche Geniestreich besteht dann z.B. darin, dass ein pathos-geladenes Pamphlet wie Unrequited Love als gospelartig beschwörender Trauer-Shanty daherkommt, bei dem sich harmonische Doo-Wop-Chöre einhaken, um unbekümmert im Dreivierteltakt gen Horizont zu schunkeln.

Der Song deutet bereits an, dass es inmitten der bombastgeladenen Instrumentierung Abwechslung und Raum für ruhige Stücke gibt. Das zart dahin gehauchte I Know Places steht der emotionalen Intensität eines Bon-Iver-Songs in nichts nach und ist eines der wenigen Lichtblicke im sonst eher erschütternden Themenspektrum von Wounded Rhymes. Im Nachstell-Song I Follow Rivers inszeniert sich Lykke Li dann als obsessiven Stalker. Das lässt einen unweigerlich an die fast schon alltäglichen Spanner-Rituale im Netz denken.

So düster und brüchig manche Songs auch sind, Lykke Li intoniert sie stets mit einer starken, selbstsicheren Frauenstimme. Da mag die Phrase vom erwachsenen zweiten Album noch so abgedroschen sein – bei Wounded Rhymes trifft sie mal wieder voll ins Schwarze. Lykke Li hat eine direkte, ernste Platte gemacht, die den Hörer mitnimmt, in die dunklen Ecken des Verstands, um dort zu zeigen wie gut das zusammengeht: Scheitern und gleichzeitig Größe bewahren.

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