Album der Woche: New Build – Yesterday Was Lived And Lost

Im Juni kommt das neue Album von Hot Chip. Wer sich die Wartezeit bis dahin etwas versüßen will, hat dank diversen Nebenprojekten genug Alternativen. Nach The 2 Bears gibt es nun mit New Build die nächste Band, die sich aus Mitgliedern von Hot Chip speist. Und so langsam bekommt man den Eindruck: Alles was die Elektro-Popper anfassen wird zu Gold.

Hot Chip entpuppt sich immer mehr als ein bunter Haufen Multiinstrumentalisten, die allesamt so umtriebig sind, dass es bald ein Organigramm braucht, um zu überblicken, wer mit wem in welchem Nebenprojekt verbandelt ist. Bringen wir also erst mal etwas Ordnung ins Personal-Karussell:

Da hätten wir zum einen Alexis Taylor, bekannt für seine überdimensionale Nerd-Brille und die hohen Gesangsparts bei Hot Chip. Ergänzt wird er von der brummelnden Bass-Stimme Joe Goddards, seines Zeichens auch Sänger beim House-und Electro-Duo The 2 Bears. Irgendwo dazwischen liegt die Stimme von Al Doyle, der bei Hot Chip gesanglich bisher kaum in Erscheinung getreten ist und das nun mit seiner neuen Band New Build nachholt.

Ein Dutzend Nebenprojekte also und dazu im Sommer das neue Hot-Chip-Album. Woher nehmen die sich die Zeit?

Wir haben einfach ziemlich schnell an diesem Album gearbeitet. Manche Songs auf diesem Album sind schon drei bis vier Jahre alt. Auf lange Sicht sieht es so aus, als würde man ewig an so einem Album basteln, aber eigentlich ist es so, dass man mal drei Tage daran sitzt und dann wieder zwei Tage in einem anderen Monat. Insgesamt kommt man also auf ein paar Monate. Wir lieben es einfach, Musik zu machen und wenn wir keine Platten rausbringen würden, würden wir die ganze Zeit Songs schreiben.

Zu Doyle gesellen sich Ex-Hot-Chip-Mitglied Felix Martin und Toningenieur Tom Hopkins, der die renommierten Lanark Studios in London betreibt. Geballte musikalische Kompetenz also – und so ist es auch kaum verwunderlich, dass sich auf Yesterday Was Lived And Lost, dem Debütalbum von New Build, auch Mitglieder von LCD Soundsystem und Planningtorock die Ehre geben.

Doch genug des Namedroppings. Widmen wir uns der Musik. Yesterday Was Lived And Lost vereint Synthie-Pop, Electro-Funk und House unter dem Deckmantel des Understatement. New Build prügeln ihre Hörer nicht mit Four-To-The-Floor-Beats auf die Tanzfläche. Vielmehr fragen sie freundlich nach, ob man ein bisschen mit durch die Nacht schwofen will.

Ich stand früher vor allem auf Dark House und Techno, aber mittlerweile mag ich es viel mehr, einen Gang runter zuschalten und im Club einen Song zu hören mit einem guten Gesangspart zu hören. Als DJ ist das ziemlich knifflig, diese etwas langsameren Songs in ein DJ-Set einzubauen, wenn du zur besten Party-Zeit auf dem Main-Floor auflegst.

Zur besten Party-Zeit stehen die Kids auf dem Main-Floor nun mal auf Hau-Drauf-Techno und fiese Frequenzen. „Vielleicht einfach eine Frage des Alters“, vermutet Doyle.

Ich kann schon verstehen, warum die Leute das mögen. Aber eine ganz Nacht mit dieser Musik, diesen Filtern und Frequenzen – da wird man doch verrückt!

Für den sehr britischen Soundkosmos von New Build standen mal wieder die guten, alten 80er Pate. Zum Teil schrammt das gefährlich nah an Synthie-Kitsch à la Erasure vorbei, in den guten Momenten jedoch erinnert es an Hymnen der Marke Human League und Peter Gabriel, so wie der Song Medication.

Die Grundstimmung des Albums wird schon im Titel klar. Yesterday Was Lived And Lost. New Build singen über den Exzess, das Nachtleben in der Großstadt, und doch schwingt da immer eine Grundmelancholie mit. Das ernüchternde Gefühl, wenn morgens um fünf die Lichter angehen und man der wahren Fratze der Nacht ins Auge blickt.

Es wäre ja auch seltsam, wenn wir in unserem Alter und mit unserer musikalischen Erfahrung Songs über Partys, Drogen und Mädchen machen würden. Wir sind ja keine Kids mehr, die gerade mit Anfang 20 eine Band gegründet haben. Deswegen stellen wir das alles ein bisschen in Frage.

Trotz aller Melancholie stürzt einen die Musik von New Build nicht in Depressionen. Vielmehr ist sie das Gegenstück zu den Texten. Und trotz aller Gesetztheit ist Yesterday Was Lived And Lost kein Soundtrack für die Ü30-Party. Die Kids werden drauf stehen, die Tanzflächen werden voll sein. Und einmal mehr bewahrheitet sich die Erkenntnis: Kummer ist tanzbar.

Redaktion