Album der Woche | Nick Waterhouse – Nick Waterhouse

Bei sich angekommen

Nick Waterhouse ist mit verschwitzten Live-Auftritten und Songs zwischen Rhythm’n’Blues, Soul und Garagenrock bekannt geworden. Ein Dancepop-Remix seines Songs “Katchi” hat es sogar in die deutschen Charts geschafft. Auf seinem vierten Album gibt’s aber keine Dance-Beats, dafür Nick Waterhouse in Bestform.

Raina, Holly, Tracy – bislang gab es auf Nick Waterhouse-Alben immer einen Song mit einem Frauennamen als Titel. Er selbst hat mal gesagt, dass das für ihn als eine Art Glücksbringer fungiert. Auf Album Nummer vier gibt es keinen Frauennamen, scheinbar hat das mit dem Glück doch nicht so gut geklappt. Dafür wirft sich der 33-Jährige voll ins Zeug, was unter anderem in einer sehr emotionalen Gesangsperformance zum Ausdruck kommt. Wut, Frust aber auch Liebe und Herzschmerz – auf seinem selbstbetitelten Album zeigt sich Nick Waterhouse offen und direkt wie nie zuvor.

Alles, woran ich glaube, steckt in diesen Songs. Das war auch ein Grund, warum ich das Album “Nick Waterhouse” genannt habe. Wenn man über etwas singt, an das man wirklich glaubt, kann man sich da ziemlich reinsteigern. Außerdem leben wir gerade in einer schwierigen Zeit und das Album ist auch eine Reaktion darauf.

Job im Plattenladen

Nick Waterhouse wächst in Südkalifornien auf und beginnt schon in der Schule, Musik zu machen. Zum Studieren zieht er nach San Francisco, jobbt in einem kleinen Plattenladen, der sich auf 7-Inch-Singles spezialisiert hat. 2010 veröffentlicht er seinen ersten Song, natürlich auch in diesem Format. Some Place wird handgepresst und -gelabelt und wechselt heute gerne mal für mehrere hundert Dollar den Besitzer.

Nach einigem Hin und Herpendeln entlang der kalifornischen Küste, lebt der Musiker derzeit wieder in Los Angeles. Dort ist auch das neue Album entstanden, in den Electro Vox Studios. In Produzent Paul Butler und Toningenieur Michael Harris fand Waterhouse zwei kongeniale Partner, mit denen er seine sehr spezifischen Vorstellungen umsetzen konnte.

Ich wollte schon 2013 im Electro Vox Studio aufnehmen, dieses Mal hat es geklappt. Die Zusammenarbeit mit Paul und Michael war großartig. Wir haben die Möglichkeiten des Studios total ausgereizt, der Abhörraum hat manchmal ausgesehen wie ein U-Boot, in dem es aus den Konsolen qualmt und die Leute panisch herumrennen. Aber wir haben es geschafft. Das Studio gibt es schon seit den 30er Jahren, dort haben Charlie Parker und Bing Crosby aufgenommen. In den 50ern wurden dann modernere Studios beliebter. Aber für meine Ansprüche ist es optimal, da passen problemlos neun Leute rein und es klingt immer noch super.

Energie und Lässigkeit

Auf dem Album strotzt jeder Song vor Energie und Lässigkeit. Nick Waterhouse verbindet Rhythm’n’Blues, energetischen Garagenrock mit fiesem Saxophon und Surf-Gitarren-Licks. Er ist Perfektionist und geschickter Arrangeur: schneidende Bläser, ein druckvolles Schlagzeug, flirrende Vibraphontupfer im Hintergrund – alles sitzt punktgenau, wirkt aber nie angestrengt. Und Waterhouse weiß auch, wann weniger mehr ist, wie bei dem wunderbar zärtlichen Thought & Act.

Das ist ein Liebeslied. Es geht darum, dass man in jemanden total vernarrt ist und man versucht, das auch zu zeigen. Aber so etwas zu kommunizieren ist nicht so leicht und gelingt nicht immer.

Einen ganz anderen Ton schlägt der Song I Feel An Urge Coming On an. Damit setzt Waterhouse auch seine Tradition der Coverversionen fort. In der Vergangenheit hat er schon Stücke von so unterschiedlichen Künstlern wie Ty Segall, Them und Mose Allison eingespielt. I Feel An Urge… ist im Original von Joshie Jo Armstead, die mit Ray Charles Songs geschrieben hat und als Ikette und Raelette in den Sechzigern und Siebzigern aufgetreten ist.

Joshie und ich hatten schon länger vor, etwas gemeinsam zu schreiben. Irgendwann hat sie mir eine Nachricht geschickt: „Nick, du solltest „I feel an urge coming on“ aufnehmen. Diese Frau hat schon Songs für Ray Charles geschrieben und jetzt bietet sie mir eines ihrer Stücke an. Dazu sage ich natürlich nicht nein. Ihre Version würde sehr gut auf eine Northern Soul-Party passen. Ich habe daraus eine swingende, gitarrenlastige Nummer gemacht.

Mit Album Nummer vier erreicht der Kalifornier einen vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens. Waterhouse bündelt alle Erfahrung und Techniken, die er in den letzten Jahren gesammelt hat auf dieser rohen, intensiven und großartigen Platte.

Redaktion