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Album der Woche: Talking To Turtles – Oh, The Good Life

8210 Kilometer – so weit ist es ungefähr von Leipzig bis nach Seattle. Das Songwriter-Duo Talking To Turtles hat diesen Weg vor kurzem auf sich genommen. Ihr Labelchef hatte die Idee, dass sie dort ihr neues Album „Oh, The Good Life“ aufnehmen könnten.

„Die nächste Platte nehmen wir in Seattle auf!“ – darüber konnten Florian und Claudia von Talking To Turtles letztes Jahr im Herbst nur lachen. Die Idee kommt von ihrem Labelchef Jörg Tresp von DevilDuck Records. Ein bisschen größenwahnsinnig, ein wenig zu utopisch, denken sich die Turtles – Wir, da drüben in Amerika? Die Zusage für einen Auftritt beim South By Southwest-Festival in Texas gibt schließlich den Anstoß, wirklich in die USA zu gehen. Auch die Pläne, drüben am neuen Album zu arbeiten, nehmen nun konkrete Gestalt an. Im Frühjahr 2011 begibt sich die Band dann tatsächlich auf die Reise über den großen Teich. Ihr Ziel ist Seattle, im Nordwesten der USA.

Das ist schon eine Riesensache für uns, unser zweites Album in Amerika aufnehmen zu können. Wenn man diese Chance hat, dann will man das auch nicht versauen. Wir sind einfach eine kleine Band und es ist deshalb etwas Besonderes, dass es überhaupt möglich war aus finanzieller Sicht dort rüber zu gehen. Das hat verschiedene Gründe, z.B. auch, dass wir dort vor Ort keine Übernachtungskosten hatten, weil wir drei Wochen lang in der Wohnung von dem Produzenten und seiner Freundin gewohnt haben, in einer kleinen Bude. Wir haben da zu fünft gehaust.

So kann man fast sagen, dass Oh, The Good Life ein WG-Projekt ist. Produziert hat es Obdach –Sponsor und Mitbewohner Jonathan Warman. Teilweise wurde das Album in seiner Wohnung, teilweise im Avast!- Studio aufgenommen. Dort haben sich unter anderem schon Death Cab for Cutie oder The Shins ihre Hände wund gespielt. Große Fußstapfen, in die sich Talking To Turtles begeben haben – die ihnen dann aber doch ein bisschen zu groß waren.

Wir sind ins Studio gekommen und selbst der Anblick hat uns schon Ehrfurcht eingeflößt. Dann hat uns der sehr sympathische Studiobesitzer nach uns nach erzählt, wer denn dort schon aufgenommen hätte und dann fühlte es sich ein bisschen so an, dass das alles eine Nummer zu groß für uns ist. Wir waren dann drei Studiotage dort und haben Grundspuren aufgenommen, Schlagzeug, Gitarre, Bass und Klavier. Danach haben wir uns aber wieder in das Apartment von Jonathan Warman begeben. Dort haben wir uns ehrlich gesagt ein bisschen wohler gefühlt.

Man hört der Platte Oh, The Good Life an, dass sich die Band in der Wohnung ihres Produzenten wirklich wohl gefühlt hat. Short Stories Long wurde live im Apartment von Jonathan eingespielt, aufgenommen auf Kassette mit nur 2 Mikrofonen. Dadurch erhält der Song seine authentische Seite, er wirkt fast roh, wie ein unberührtes Stück Holz. Schließt man beim Hören die Augen, sitzt man an einem sonnigen Nachmittag mit in diesem Zimmer in Seattle. Durch das offene Fenster dringt leise Straßenlärm herein und man muss ganz still auf seinem Stuhl sitzen, sonst knarren die Holzdielen des Fußbodens.


Während auf dem Vorgängeralbum Monologue die meisten Songideen von Florian stammen, haben sie auf der aktuellen Platte zusammen nach den richtigen Worten und Tönen gesucht – und diese auch gefunden. Claudia ist nicht nur mehr am Entstehungsprozess der Songs beteiligt– sie ist auch öfter zu hören. So entsteht auf dem Album ein neuer, frischer Klang. Weg von der minimalistischen Singer-Songwriter-Manier hin zu einem vollen und kräftigen Band-Sound.

Die Demos sind eigentlich schon so entstanden, dass wir geplant haben  Cellisten mit einzubauen und Trompeten. Wir hatten aber keine Ahnung inwieweit wir das umsetzen können. Wir haben uns dann nur unglaublich gefreut als es hieß: „Ja, es ist möglich!“.

Die Kontakte zu den Leuten haben sich dann über Jonathan ergeben, der dann einfach seine Kumpels angerufen hat. Die haben sich dann das, was wir schon aufgenommen haben angehört, sind in den Aufnahmeraum gegangen und haben innerhalb von zehn Minuten das eingespielt was wir uns vorgestellt haben. Und wenn es das dann manchmal nicht war, war es ganz einfach zu sagen: „Ich weiß, du spielst gerade die Lapsteel Gitarre, was ein standardmäßiges Country-Instrument ist. Aber spiele mit dieser Gitarre doch mal keinen Country.“ Und dann hat er gesagt: „Okay“, und hats getan.

Die Songs auf Oh, The Good Life balancieren zwischen kraftvoll und zart, zwischen Band und Duo, zwischen großer Bühne und Schlafzimmer. In Crumbs verschmelzen beide Seiten miteinander, Men in Trees hüpft hingegen euphorisch bis übermütig um die Ecke, REM schaukelt den Hörer schließlich sanft in den Schlaf – ein Wiegenlied für ausgewachsene Folk-Fans.

Talking To Turtles haben einen Ausflug nach Amerika unternommen und 10 wunderbare Songs in ihren Koffern mitgebracht. Scheint fast so, als hätten sie auf ihrem zweiten Album alles richtig gemacht. In diesem Fall darf die Platte dann auch wirklich Oh, The Good Life heißen.

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