Album der Woche: The Dodos – Carrier

Musik kann bekanntlich therapeutische Wirkung haben. Unzählige zerbrochene Beziehungen, enttäuschte Freundschaften und andere Lebenskrisen wurden in Popsongs besungen. The Dodos verarbeiten auf ihrem neuen Album „Carrier“ den Tod eines Bandmitglieds. Eine traurige Platte ist es aber mitnichten geworden.

What is a song? What is love? – mit diesen bedeutungsschwangeren Fragen beginnt das neue Dodos-Album Carrier. Seichte Oberflächlichkeiten waren ja noch nie Sache der Band. Dafür gab es dieses Mal noch weniger Anlass. Das Duo aus San Francisco wollte seine neue Platte eigentlich mit dem Tour-Gitarristen Chris Reimer aufnehmen. Der war 2012 aber unerwartet gestorben. Dodos-Sänger Meric Long sagt, dass Reimer einen großen Einfluss auf seine Herangehensweise ans Song-Schreiben hatte.

Er hatte eine ganz andere Herangehensweise ans Songschreiben und an Musik als ich. Er war sehr geduldig, was Songs und Sounds angeht. Er hat E-Gitarre gespielt, aber nicht so wie andere Gitarristen, die ich kenne. Er konnte dem Instrument wunderschöne Töne entlocken und das wollte ich von ihm übernehmen. Ich wollte, dass die Sounds die ich hatte, die Richtung der Songs vorgeben.

Mehr Geduld nötig

Bislang hatte sich Long schon im Vorfeld genau überlegt, wie das Stück am Ende klingen sollte. Dieses Mal musste er mehr Ausdauer mitbringen.

Als wir mit der letzten Tour fertig waren, hatte ich vergessen, wie man Songs schreibt. Ich wollte von Null anfangen und einen anderen Zugang finden. Außerdem wollte ich eine stärkere Verbindung zu meinen Songs, die hatte ich irgendwie verloren. Es war eine Übung in Geduld und Disziplin.

Analog musste es sein

Aufgenommen hat die Band Carrier in einem Studio in ihrer Heimatstadt San Francisco. Das hatte vor allem technische Gründe.

Wir wollten unbedingt analog aufnehmen und mixen. Das Tiny Telephone Studio hier ist dafür bestens geeignet. Es ging auch langsamer, denn bisher hatten wir immer einen Produzenten. Dieses Mal mussten wir die Entscheidungen, wie etwas klingen soll, selbst treffen. Und die Rollen zu tauschen ist manchmal schwierig, denn mitunter widerspricht man sich selbst.

The Dodos behalten auf Carrier ihren charakteristischen Sound aus wild übereinander gelegten Rhythmen und Gitarre. Logan Kroegers Schlagzeug rumpelt in vertrauter Manier, in Meric Longs Gesang liegt ein wenig Schwermut. Ergänzt werden Streicher und Bläser, die das Magik Magik Orchestra beigesteuert hat.

Wiederbelebt von The Ocean

Einen besondere Bedeutung hatte für Meric Long der letzte Song des Album The Ocean. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es die Band überhaupt noch gibt.

Der Song war halbfertig, als wir ins Studio gegangen sind. Er hat erst so richtig Form angenommen, als wir ihn aufgenommen haben. Am Ende klang er ganz anders, als ich es eigentlich geplant hatte, das war eine nette Überraschung. Er hat definitiv einige Türen geöffnet und das Leben dieser Band verlängert.

Musik-Therapie für alle

Die Songs auf Carrier haben alle einen melancholischen Unterton, aber die Band badet nicht im Selbstmitleid. Es geht darum, wie man mit unvermeidlichen Verlusten umgeht, wie man sie verarbeitet. Es gibt immer einen nächsten Tag und dann steht man wieder auf. Nach und nach füllt man das entstandene Loch mit Erinnerungen. Die Band vermittelt das Gefühl, dass man manche Dinge nicht vergessen sollte, auch wenn sie schmerzhaft sind. Mit Carrier machen The Dodos das für uns alle ein bisschen einfacher. Das Album ist Song-Therapie für Musiker und Hörer.

Redaktion