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Album der Woche: The Maccabees – Given To The Wild

Es ist gar nicht so leicht für eine Band, ein drittes Album aufzunehmen. Beim ersten trägt einen noch der Enthusiasmus des Neuen, denn es gibt keinerlei Erwartungsdruck. Beim zweiten etabliert man meistens den Sound weiter, den man für sich gefunden hat. Aber was kommt dann? Mit eben dieser Frage waren auch The Maccabees konfrontiert.

Wenn es einen Grundgedanken gibt auf dem dritten Album der Maccabees, dann ist es vielleicht eine Art Eskapismus, der Wunsch nach Freiheit und mehr Raum für sich selbst. Der Titel Given To The Wild steht für die Sehnsucht nach einem Ausbruch aus der alltäglichen Enge, sozusagen ein musikalischer Fluchtversuch vor jeglichen Einschränkungen, egal ob sie von anderen kommen oder auch selbstauferlegt sind. Sänger Orlando Weeks knüpft diesen unbewussten Fluchtgedanken ganz stark an die Gegend in Südlondon, in der ein großer Teil des Albums entstanden ist, ein lauter, dicht bebauter Stadtteil voller Hochhäuser, der sich für ihn fast schon klaustrophobisch anfühlt.

Das war eine Gegend, die wirklich zugebaut ist und hohe Gebäude hat. Vielleicht war es deshalb eine Art Flucht. Das war aber nie eine bewusste Entscheidung. Wir wollten dem Album eine Stimmung geben, die von Offenheit, Weite und Freiräumen geprägt ist – etwas Uneingeschränktes, eine Art Geduld, die man in Großstädten nicht unbedingt empfindet.

Wie sehr der Wunsch nach Freiraum und Weite die thematische Ausrichtung und auch klangliche Atmosphäre des Albums beeinflusst hat, hört man in dem Stück Child, gleich zu Beginn der Platte. Der Song steigert sich von einem eher zurückgenommenen Intro hin zu einem intensiven und kraftvollen Finish – ein kleiner Befreiungsschlag, der die Richtung aufzeigt, die das gesamte Album nimmt. Nicht zuletzt taucht darin auch die Titelzeile für das Album immer wieder auf.


Given To The Wild ist das Ergebnis von zwei Jahren Arbeit, die das Londoner Quintett um Sänger Orlando Weeks und Gitarrist Felix White in neue Songs investiert hat. Mit diesem, ihrem dritten, Studioalbum haben die Maccabees offenbar ihren Sound gefunden und gleichzeitig ein neues Selbstbewusstsein für sich entdeckt. Deshalb haben sie kurzerhand einfach mal alles umgeworfen, was bisher gut funktioniert hat in ihrem Bandkosmos – statt wie bei den beiden Vorgängeralben Colour It In und Wall Of Arms alle gemeinsam im Proberaum oder im Studio an den Songs zu arbeiten, haben die Maccabees diesmal zuerst jeder für sich allein Ideen gesammelt. Die dabei entstandenen Melodie- und Textfragmente, Gitarrenhooks und Schlagzeugparts haben die fünf dann per Mail hin und hergeschickt. Einige Teile dieser getrennten Demo-Aufnahmen finden sich sogar auf dem Album wieder – genau das gebe den Songs die richtige Mischung aus Lo-Fi-Schlafzimmerakustik und komplexerer Studioqualität, meint Orlando.

Wir haben alle mit den Aufnahmen getrennt voneinander angefangen. Jeder von uns hatte wirklich gute Ideen, bevor er sie zur Band gebracht hat oder Dateien, Teile von Songs, per Email geschickt hat. Es fing also so an, dass keiner wusste, wie es enden wird. Es war dann die Aufgabe von uns allen, daraus etwas Zusammenhängendes zu machen, also etwas, das Sinn machte und das ganze Album zusammenhalten konnte.

Damit am Ende tatsächlich alle Einzelteile in ein Gesamtwerk zusammenfließen, kamen die Maccabees mit ihren Ideen nach und nach zu zweit oder zu dritt zusammen, um weiter an den einzelnen Songs zu arbeiten. Erst danach ging es mit der gesamten Band ins Studio. Ein Teil des Albums ist mit Unterstützung des Produzenten Tim Goldsworthy in den Rockfield Studios in Wales entstanden, für den Rest richteten sich die Maccabees zu Hause in London ein unbenutztes Studio her und werkelten dort mit dem befreundeten Produzenten Jag Jago an ihrem Material.

Nicht nur bei der Produktion haben die Maccabees mit Given To The Wild eine andere Richtung eingeschlagen – die Veränderungen durchziehen auch das Privatleben der Bandmitglieder. Orlando sagt, es gab definitiv eine Art Wendepunkt in der Zeit, als sie an dem Album gearbeitet haben, der sich auch in den Texten ausdrückt.

Wir kommen alle in das Alter, in denen deine Freunde Hypotheken aufnehmen, heiraten und Kinder haben. Diese neue Lebensperspektive hat sicher auch beeinflusst, wie ich Texte schreibe. Deshalb dreht sich auf „Given To The wild“ auch nicht mehr alles um gescheiterte Beziehungen und die daraus resultierende depressive Grundstimmung – es gibt eben auch noch andere Dinge, über die man schreiben kann.

Tatsächlich ist die Melancholie, die sich in den Texten der Maccabees immer noch findet, subtiler als jene, die üblicherweise gern in Beziehungskrisen-Therapiesongs zelebriert wird. Nothing Stays Forever heißt die etwas wehmütige Schlussfolgerung in einem der Stücke auf Given To The Wild, aber es geht hier generell um das Loslassen und darum, Veränderungen im Leben zu akzeptieren. Der Gewöhnungsschmerz, der damit einhergeht, ist nur gedämpft spürbar – über große Strecken wirken die Songs vielmehr verträumt, stellenweise fast schon entrückt.

Den angemessenen Abschluss eines Albums, mit dem die Maccabees bewusst einen ersten Schritt in einen neuen Abschnitt im Leben und in ihrer Bandkarriere machen, bildet dann mit Grew Up At Midnight auch gewissermaßen eine Hymne an das Erwachsenwerden. Es heißt ja, in jedem Ende steckt auch ein Anfang. In diesem Fall: ein sehr guter.

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