Album der Woche: Wye Oak – Shriek

Gitarre abgeschafft, Neuerfindung geglückt

Aus unerfindlichen Gründen haben Wye Oak irgendwann den Stempel Indiefolk verpasst bekommen. Aber Akustikgitarre und Banjo waren eigentlich noch nie das Ding der Band aus Baltimore. Sie sind vor allem durch Dynamik und die laute verzerrte Gitarre von Sängerin Jenn Wasner bekannt geworden. Ihr neues Album „Shriek“ ist für Wye Oak eine Wiedergeburt.

Bloß weg mit der Gitarre! – Das haben sich Jenn Wasner und Andy Stack alias Wye Oak gedacht, als sie angefangen haben an ihrem vierten Album Shriek zu arbeiten. Bisher war die Gitarre das charakteristische Element in ihrem Sound. Aber es ging einfach nicht mehr, erzählt Drummer Andy Stack.

Jedes Instrument hat sowas wie ein emotionales und motorisches Gedächtnis. Mit jedem Song verbindet man gewisse Gefühle und wir haben die Stücke einfach sooo oft gespielt. Außerdem greifen die Hände irgendwann automatisch immer wieder an dieselben Stellen und man macht immer das Gleiche. Deswegen haben wir die Gitarre abgeschafft, zumindest beim Songschreiben.

„Shriek“ ist eine Wiedergeburt

Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres letzten Albums „Civilian“ und einer nicht enden wollenden Tour haben sich die beiden leer und ausgebrannt gefühlt. Abend für Abend immer wieder die gleichen Songs spielen geht irgendwann an die Substanz. Die Zukunft der Band stand eine Weile auf der Kippe.

Shriek ist für uns eine Wiedergeburt. Wir waren uns eine ganze Zeit lang nicht sicher, ob wir als Wye Oak weitermachen wollen oder ob wir einfach alles gesagt haben. Dann haben wir uns für andere musikalische Wege interessiert und festgestellt, dass wir als Band machen können, was wir wollen. Es muss nicht so klingen wie andere Wye Oak Platten und in dieses Folk/Indie oder was auch immer Muster passen.

Baltimore vs. Portland

Synthesizer und Bass halten Einzug in den Sound von Wye Oak. Die beiden Musiker stehen sich auch nicht mehr im Proberaum gegenüber. Andy Stack ist nach Portland gezogen, Jenn Wasner hat noch in Baltimore gelebt. Portland hatte aber keinen Einfluss auf die Musik, sagt der Drummer. Obwohl Portland eine sehr lebendige Musikszene hat, sein kreatives Herz schlägt für Baltimore.

Ich komme aus Baltimore und diese Band ist definitiv eine Baltimore Band. Jenn wohnt noch dort, wir proben da und haben viele Songs aufgenommen. Die Musikszene in Baltimore ist für mich unersetzlich. Egal, wo ich irgendwann mal wohne, Baltimore ist und bleibt meine Heimatstadt.

Seltsames Popalbum oder poppige seltsame Songs?

Ihre Ideen und Songfetzen haben sie sie sich per Email geschickt. Für den finalen Schliff sind sie mit dem Produzenten Nicolas Vernhes ins Rare Book Room Studio nach Brooklyn gegangen.

Wir wollten mit ihm arbeiten, weil er eine experimentelle Herangehensweise hat, was Popmusik betrifft. Wir wussten nicht, ob es ein seltsames Popalbum wird oder ein poppiges Album mit seltsamen Songs. Es sollte so ein Zwischending werden.

Dieses Ziel haben sie erreicht. Flirrende Synthesizerteppiche, ein groovender Bass und eine verträumte, manchmal verzerrte Stimme. Auf Shriek machen Wye Oak seltsame Popsongs, die sich anfühlen, als würde man in seinen eigenen Träumen herumwandern.

Neuerfindung geglückt

Die Neuerfindung ist gelungen. Shriek klingt immer noch nach Wye Oak und trotzdem anders, als alles, was sie bisher gemacht haben. Wer die Talking Heads und Kate Bush mag, dem gefallen auch die neuen Wye Oak. Und Gitarren sind ja sowas von 2011.

Redaktion