“Es geht um den Moment” – Claire und ihr Debütalbum “The Great Escape”

Am Wochenende hieß es wieder „O’zapft is“ – eigentlich ein Grund nicht nach München zu schauen. Aber München hat ja noch mehr zu bieten als das größte öffentliche Besäufnis des Landes. Mehmet Scholl zum Beispiel. Und Disco. Und mit Claire jetzt auch eine der vielversprechendsten Pop-Bands. Wir haben die fünf Münchner zum Interview getroffen und uns das Debütalbum mal genauer angehört.

Was kriegt man, wenn man drei junge Münchner Produzenten, ein noch jüngeres Gesangstalent und den Drummer einer Hardcore-Band zusammen in einen Proberaum steckt? Richtig: breitbrustigen Electro-Pop. Genau das macht die bayerische Formation Claire auf ihrem Debütalbum The Great Escape.

Zur Inspiration für ihre Songs haben die fünf ihre Lieblingsmusik untereinander ausgetauscht, unkommentiert – um die anderen nicht zu beeinflussen. So landeten Santigold mit Trentemøller, The Naked & Famous mit Portishead und M83 mit Grandmaster Flash zunächst in einem Ordner – und dann in irgendeiner Form in den fertigen Songs. Und so rappt Sängerin Josie-Claire Bürkle sogar einen Part. Matthias Hauck erklärt, wie es dazu kam:

Da wir ja alle auch große Hip-Hop-Fans sind, war das plötzlich im Studio da: Hey lass uns mal, es wär echt cool auch mal ein Zitat reinzubringen oder so ein Ding. Und dann hat’s voll gut gepasst auf den Track und die Josie hat so geil dazu gerappt.

Der Moment zählt

Mit breiter Brust und jugendlicher Arroganz begegnen Claire nicht nur gestrigen Pop-Ikonen. Was war oder kommt, so scheint es, spielt heute erstmal keine Rolle. Nepomuk Heller beschreibt das so:

Invincible und auch The Next Ones To Come, das sind beides Songs, wo wir eigentlich gar nicht den Anspruch hatten, was komplett für ewig stehendes zu haben. Sondern eben genau zu sagen: Es geht nur um den einen Moment, wo man das genauso fühlt und das ist einfach in dem Moment genau die Message oder das was du brauchst, um eben nicht aufzugeben und um weiterzumachen.

Altbekanntes Handwerk

Was Claire besonders macht, ist nicht nur die Stimme und der völlig akzentfreie Gesang von Sängerin Josie. Claire klingen wie Veteranen der Hitmaschinerie, so stilsicher bewegt sich die Band zwischen den verschiedensten Stilrichtungen. Kein Zufall: Denn vor Claire gehörten Florian Kiermaier, genau wie Nepomuk Heller und Matthias Hauck zum Produzententeam We Are Modular. Die drei kennen ihr Handwerk.

Wir haben ja natürlich schon viele verschiedene Genres produziert. Das ist natürlich schon so, dass man sich einen Werkzeugkasten zusammenbaut oder immer noch einen Schraubenzieher mehr reinlegt, wenn man ein Projekt abgeschlossen hat, weil man wieder einen Kniff mehr weiß.

sagt Florian Kiermaier. Der Werkzeugkasten der drei Produzenten ist rappelvoll mit Spezialgeräten, die sie perfekt einzusetzen wissen. So ist der Sound von Claire fast schon zu ausgeklügelt – makellos. Wie bei einer richtig guten Auftragskomposition könnten einige Songs genauso gut von ihren Vorbildern stammen. Die eigene Handschrift ist noch nicht überall ausgeprägt.

The Great Escape, Invincible, Pioneers: In den Songs von Claire schwingt die Aufbruchstimmung mit, die man erlebt, wenn man gerade die Schule beendet hat: Das Leben vor einem, alles neu, aufregend. Ein überwältigendes Gefühl. Claire schaffen es, diese Stimmung in sphärischen, elektrisierenden Pop-Hits festzuhalten.

Mit großen Schritten zum Popexport

Mit dem Debütalbum The Great Escape geht’s für die fünf Münchner erst mal quer durch Deutschland, Österreich, Schweiz. Und kaum mehr als ein Jahr nach ihrem allerersten Konzert sollen Claire bald schon in New York auf der Bühne stehen. Und obwohl Claire das rasante Tempo mittlerweile gewöhnt sein müssten, kann Sängerin Josie-Claire Bürkle es selbst kaum fassen:

Ich hab immer so ein bisschen ein Problem damit, die Sachen überhaupt auszusprechen, weil ich mir denk‘: Verarsch dich nicht selber Josie.

Claire sollten sich auf noch viel mehr Rummel einstellen. Mit einem so ausgefeilten, zeitgeistigen Sound stehen die Chancen nicht schlecht, dass Claire der nächste, ganz große Popexport Deutschlands wird. Und das wäre endlich mal einer, für den man sich nicht schämen müsste.