Seit einigen Jahren hat sich ein großer dunkler Fleck auf der musikalischen Landkarte der USA gebildet: Portland in Oregon. Die Stadt im Nordwesten der Staaten spuckt in kürzesten Abständen Bands und Platten aus, dass man kaum noch hinterherkommt. Angefangen in den 90ern bei Elliott Smith und Courtney Love, bis zu den Decemberists, The Thermals, Portugal The Man, Laura Veirs und Menomena, um nur einen Bruchteil zu nennen. In diese lange Liste reiht sich nun auch Tu Fawning ein. Was also hat die Stadt, das anderen Städten fehlt? Nachgefragt bei Joe Haege, Drummer und kreativer Kopf von Tu Fawning.
Portland ist eine junge Stadt und es ist gerade sehr angesagt, dahin zu ziehen. In den letzten zehn Jahren kamen viele kreative Leute, die einen lebendigen Pool an sehr guter Kunst geschaffen haben. Zum Glück gibt es nicht nur den einen Sound dort, aber man könnte schon sagen, Portland ist das neue Seattle.
In genau dieser kreativen Hochburg sind sich Joe Haege und Corinna Repp über den Weg gelaufen. Joe war Tourgitarrist bei Menomena und 31Knots und hat auf Corinnas Soloplatten mitgewirkt. Corinna leihte dafür den Aufnahmen von 31Knots ihre Stimme. Irgendwann entstand die Idee, gemeinsam als Band aufzutreten. Repp und Haege schrieben ein paar Songs und tourten gemeinsam, doch merkten schnell, dass zwei Musiker zu wenig sind für die Musik, die sich die beiden vorgestellt hatten. Sie suchten sich Verstärkung und sind nun zu einem Quartett herangewachsen. Den Musikern von Tu Fawning geht es vor allem darum, neue Arbeitsweisen auszuprobieren:
Ich habe auf der Platte versucht wie ein Hip Hop Produzent zu arbeiten, also den Beat zuerst geschrieben. Bei meiner anderen Band 31Knots ist das anders, wir sind ja eine Rockband. Aber bei Tu Fawning kann ich den Rhythmus zuerst aufnehmen, entweder am Computer oder am Schlagzeug. Und Corinna liebt diese Arbeitsweise auch, weil sie zum Beat eine Melodie singen kann. Das ist für uns eine ganz neue Erfahrung.
Die Rythmen sind der zentrale Part auf Hearts On Hold. Sie geben die Richtung vor und alles andere – Melodie, Gesang und Strukturen – baut sich dumherum auf. Beonders viel Aufwand haben Tu Fawning in die Percussion gesteckt. Neben dem monotonen Beat der Drums rumpeln Bongos und Congas, ab und zu klappern Rasseln, Glöckchen und Triangeln. Im Kopf blitzen dabei Bilder von düsteren Voodoo-Festen und mystischen Stammesritualen auf. Die Assoziation ist durchaus gewollt. Tu Fawning orientieren sich an der Weltmusik der letzten 60 Jahre, vor allem aus Äthiopien und Kenia. Daneben treten die restlichen Elemente deutlich in den Hintergrund. Die Gitarren sumpfen scheinbar ziellos umher, Corinnas Stimme wabert fast hypnotisch über den Melodien.
Ich würde die Platte als schwerfällig beschreiben. Aber das ist beabsichtigt. Sie ist, als würde man eine Kurzgeschichte lesen, die auf den ersten Blick nicht gerade erbaulich wirkt, aber eben sehr komplex ist. Wir wollen mit der Platte auch viele Dimensionen abdecken. Für mich gibt es durchaus sehr heitere Momente in der Musik, auch wenn die nicht dem Pop-Klischée von heiter entsprechen.
Hearts On Hold ist ein akustisches Wagnis für Band und Hörer. Haege und Repp kennen keine Geradlinigkeit. Immer wieder brechen die Songs unerwartet ein oder ändern plötzlich ihre Richtung. Das Album schwebt zwischen schleppend und treibend, Melancholie und Misere, zwischen Licht und Schatten. Da braucht das auf Harmonie getrimmte Ohr ein bisschen Zeit, sich einzufinden. Aber die Mühe lohnt sich. Denn gerade weil Tu Fawning das gängige Popschema – Strophe, Refrain, Strophe, Refrain – über Bord werfen, ist Hearts On Hold ein ganz reizvolles Album geworden.