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Fleisch ist sein Gemüse – Heinz Strunk (Foto: Mathias Bothor)
Fleisch ist sein Gemüse – Heinz Strunk (Foto: Mathias Bothor)

Heinz Strunk im Interview

„Selbsttherapie in der Kunst halte ich für Quatsch“

Erst Misserfolge im Musikbusiness, dann kam er bei den Mädels überhaupt nicht gut an. Erlebnisse, die Heinz Strunk am Ende zu Geld machte. Wir haben mit Strunk über Fernsehköche zum Fremdschämen, Yoga mit Rocko Schamoni und den Mythos Selbsttheraphie gesprochen.

Heinz Strunk geht offen mit seinen Stimmungen und Gedanken um. Gerade habe er schlechte Laune, sagt er. Sein Aufenthaltsraum im Veranstaltungsort im Leipziger Westen wurde nicht geheizt. Und das Personal im Hotel sei auch nicht gerade zuvorkommend gewesen, erzählt Strunk. Wer seine Kunst kennt, weiß, dass das Leben für ihn nicht immer ein Wunschkonzert war. 2004 beschreibt er in seinem Debütroman „Fleisch ist mein Gemüse“ auf eine tragisch komische Art und Weise sein Leben in der Tanzkapelle Tiffanys. 12 Jahre war er mit der Formation im norddeutschen Raum unterwegs. Was nach einer unendlich lange Zeit klingt, hätte schließlich nicht kürzer sein dürfen, sagt Strunk:

Wenn das nur zwei Jahre gewesen wären, dann wäre das kein Stoff gewesen, aus dem dieses Buch hätte entstehen können. Insofern ist gerade dieses Quälen irgendwie notwendig. Es ist gewissermaßen der Preis, den ich bezahlen musste.

Zum Glück kein NDW-Hit

Bevor er sich der Tanzband anschloss, wollte der ausgebildete Flötist in der Neuen Deutschen Welle einen Charterfolg landen. Dass das damals nicht geklappt hat, sieht er heute als glückliche Wendung.

Ich hätte damals durchaus Erfolg haben können als Musiker bei der NDW. Aber ich habe eben keinen Hit gelandet und bin jetzt auch nicht Hubert K oder Frl. Menke, die mit ihren anderthalb Hits jetzt über die Dörfer ziehen müssen. Da habe ich es dann doch besser getroffen.

Seit seiner Zeit bei Tiffanys hat Strunk sich vielfältig kreativ ausgelebt. Von albernen Telefonscherzen mit seinen Kollegen Rocko Schamoni und Jacques Palminger unter dem Namen Studio Braun, über Theaterinszenierungen am Hamburger Thaliatheater bis zu komischen Kurzfilmen, in denen er selbst als Jürgen Dose auftritt. In vielen seiner künstlerischen Ergüsse fließen Segmente seiner Biographie mit hinein. Eine Art Selbsttherapie?

Selbsttherapie in der Kunst halte ich für Quatsch. Wer das behauptet, liegt meiner Meinung nach tendenziell falsch. Mann kann sich auch nichts von der Seele schreiben, man kann das irgendwie runterschreiben. Und dann war ich froh, dass ich aus dieser völlig toten Zeit noch mal Kapital geschlagen habe. Bei „Fleisch ist mein Gemüse“ im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dass es mir besser geht als vorher, weil ich irgendwas aufschreibe, das ist ein frommer Wunsch.

Finanziell ging es Strunk hinterher alle mal besser als vorher. Wurde die erste Auflage noch 4.000 Mal gedruckt, hat sich das Buch am Ende weit über 400.000 Mal verkauft.

Wenn, dann Humorist

Strunk erzählt bestimmt keine Witze im klassischen Sinne. Von Leuten, die ihn als Kabarettist oder Komödiant bezeichnen, fühlt er sich ganz uns gar falsch verstanden. Wenn er sich in irgendeine Kategorie hinein drängen ließe, dann höchstens in die der Humoristen. Es ist fast wie ein Art Galgenhumor, mit dem er die Abgründe seiner selbst und unserer Gesellschaft karikiert. Dafür wählt er eine komplexe zum Teil schmuddelige Sprache, erschafft Neologismen.

Auf seinem ersten Musikalbum „Sie nannten ihn Dreirad“ schlägt er verbal um sich. Beleidigt nicht nur Fernsehköche. Er schießt gegen langsame Esser und das Scheißhausalien.

Trinken damit was los ist

Über Jahrzehnte hat sich Strunk intensiv dem Alkohol zugewendet. Ein Klassiker unter Kreativen, sagt Strunk. Vor allem Schriftsteller seien dafür anfällig.

Wenn es einem schlecht geht, dann trinkt man, damit es einem besser geht. Wenn es einem gut geht, dann trinkt man, damit es einem noch besser geht. Und wenn es langweilig ist, dann trinkt man, damit was los ist. So ungefähr würde ich das auf den Punkt bringen.

Strunk entwickelt sich scheinbar immer weiter weg vom Rock’n’Roll-Lifestyle. Hat er noch vor ein paar Jahren geraucht wie ein Schlot und gesoffen wie ein Loch, musste er doch einsehen, dass auch er nicht jünger wird und Alkohol auch an seinem Körper Spuren hinterlässt.

Seit ein, zwei Jahren sind so komische Prozesse in mir im Gange. Das geht bei mir in die Richtung, dass das Ganze versöhnlich ausgeht, wenn ich Glück habe. Und ich muss Alter nicht nur als reinen Verlust von allem Möglichen ansehen. Wobei es natürlich schwer an einem selber liegt, in welchem Zustand man in zehn oder 15 Jahren ist. Ich habe zum Beispiel mit Rocko Schamoni angefangen Yoga zu machen.

Neues von Studio Braun und Fraktus

Rund 20 Jahre sind Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk ein Team. Ob als Studio Braun oder als Fraktus. Alle drei vereint, dass sie ihren Grundzweifel an der Welt durch Humor kompensieren. Ihr Weltschmerz oder ihre Welteuphorie mündet in immer neuen Ideen.

Wir machen ja ständig neue Sachen. Wir haben gerade ein Theaterstück laufen am Thalia Theater. Wir machen jetzt ein neues Fraktus-Album, das ist gerade kurz vor Fertigstellung. Wir arbeiten an einer Fraktus-Fernsehserie. Also ich würde schon sagen, dass das Arbeitsverhältniss im Vordergrund steht, aber das ist immer verbunden mit einem engen freundschaftlichen Gefühl.

https://www.youtube.com/watch?v=6MG3F6JIsdU

Redaktion: Juliane Neubauer

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