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Rezension: Gang Of Four – Content

Selbst wer noch nie einen Song der Band Gang Of Four gehört hat, kennt sehr wahrscheinlich ihre Musik. 1977 im englischen Leeds gegründet waren sie eine der ersten Postpunkbands. Der große Durchbruch blieb ihnen aber verwehrt. Mit den Red Hot Chili Peppers und in jüngerer Zeit Franz Ferdinand und Bloc Party fanden sie zahlreiche Nachahmer, die kommerziell sehr viel erfolgreicher waren als sie selbst. Jetzt erscheint mit „Content“ nach fast 16 Jahren ihr Comeback-Album.

Was lange währt, wird endlich gut: So ungefähr könnte man den Werdegang von Gang of Four zusammenfassen. Denn 2009 – also ganze 30 Jahre nach Veröffentlichung – erhielt die Band für ihr stilprägendes Debütalbum Entertainment! die erste Goldene Schallplatte. Entertainment! gehört heute zur Grundausstattung einer jeden gut sortierten Indie-Plattensammlung und ihre erste Single Damaged Goods ist auch nach 33 Jahren immer noch ein Tanzbodenkracher.


Legendenstatus hin oder her, Jon King und Andy Gill wollen es auf ihre alten Tage nochmal wissen und beweisen mit ihrem neuen Album Content, dass der Zahn der Zeit nahezu spurlos an ihnen vorbei gegangen ist. Sie sind immer noch wütend und obwohl beide mittlerweile im Kapitalismus angekommen zu sein scheinen – der Eine als Toningenieur in London, der Andere als Geschäftsführer einer Marketingagentur – scheuen sie sich nicht davor, Kritik zu üben. Dazu nehmen Gang Of Four in ihren Texten ganz selbstverständlich Bezug auf aktuelle Ereignisse wie z Bsp auf die Wirtschaftskrise. Allerdings wollen sie nicht mit dem Finger auf andere zeigen erklärt Gitarrist Andy Gill:

Es ist eine beliebte Disziplin, Banker abzuschießen. Darauf können sich alle einigen. Aber mit Gang of Four ist ist es so: Wir wollten nie sagen, dass wir die Guten sind und ihr da seid die Schlechten. Das ist wohl recht populär unter alternativen Musikern oder in der linken Politik. Sie zeigen mit dem Finger auf andere und sagen: Ihr macht es falsch, ihr solltet es wie wir machen, denn wir sind moralisch besser. Aber alle waren an dieser Blase beteiligt, die sich in den 80er und 90er Jahren entwickelt hat. Das war wie ein Teufelskreis, es gab viele Leute, die Kredite aufnehmen wollten und viele Leute, die Kredite vergeben haben. Das war die Blase. Die Regierung hat sich völlig unverantwortlich verhalten und nicht versucht, auf den Markt einzuwirken. Aber es ist natürlich viel einfacher zu sagen: „diese scheiß Banker“.

Bereits der Albumtitel Content deutet in galliger Manier darauf hin, dass sich Gang Of Four den neuen Zeiten angepasst haben, in denen Musik und andere Kunst oftmals nur noch als Inhalt für Werbeoberflächen und Internetportale dient. Auf ihre ehemalige Plattenfirma EMI sind Jon King und Andy Gill auch nicht gut zu sprechen. Für die Finanzierung der Aufnahmen wählten Gang of Four daher eine zeitgemäße Do-it-yourself-Methode: auf der Webseite Pledgemusic.com offerierten sie selbst angefertigte Kunstdrucke, T-Shirts und für die etwas besser betuchten Fans einen Helikopterflug zum Glastonbury-Festival zum Preis von 1950 Pfund. Vermutlich hat auch diese etwas umständliche Art und Weise dazu beigetragen, dass es bis zum neuen Album mehr als 15 Jahre gedauert hat, oder Andy Gill?

Einige dieser Songs sind von 2007, aber so richtig angefangen haben wir erst 2008. Und gegen Ende des Jahres habe ich gesagt: “Wenn ich nicht aufhöre, für andere zu produzieren, wird das niemals fertig. Weil, es ist so: Du schreibst ein paar Stücke, machst ein paar Aufnahmen und dann verbringst du zwei Monate mit einer anderen Band im Studio. Dann kommst du wieder und denkst: Wie war das nochmal? Was habe ich mit Gang of Four gemacht?

Letztlich sind die zehn Stücke plus Bonustrack doch noch fertig geworden. Sie können sich hören lassen. Die Musik klingt immer noch oder besser: wieder so frisch wie vor 30 Jahren. Allerdings haben Gang of Four Avantgarde-Attitüde und Rhythmusexperimente, die ihre frühen Stücke mitunter etwas anstrengend machten, jetzt außen vor gelassen. Andy Gill, Jon King und die neue Rhythmussektion, bestehend aus dem Bassisten Thomas McNeice und dem Schlagzeuger Mark Heaney, spielen konzentriert und unbeirrt. Die Songs sind groovig und im besten Sinne zappelig, die Single Who Am I? oder das Stück I Party All The Time haben ähnliches Hitpotenzial wie Damaged Goods seinerzeit.

Schon seit den Anfangstagen von Gang of Four haben Andy Gill und Jon King mit Bildern und Ikonographie gearbeitet, um die Musik in einen Kontext zu stellen und ihre Wirkung noch zu verstärken. Ähnliches versuchen sie auch bei Content. Die Deluxe-Version des Albums kommt in einer Alubox, die neben der Musik-CD und dem Textbuch auch eine Bildcollage zur Weltgeschichte, ein Buch mit Gerüchen, ein Buch mit Emotionen und eine Blutprobe der Band enthält. Wobei anzunehmen ist, dass letzteres eher als spöttischer Akt der totalen Selbstvermarktung zu verstehen ist. So etwas haben Gang of Four eigentlich nicht nötig, denn die Musik auf Content ist ein hinreichendes Verkaufsargument. Zorniger Politpostpunk zum Tanzen wurde schon lange nicht mehr so überzeugend gespielt.

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