Saitenwechsel: Dmitri Schostakowitsch, 12. Sinfonie

Mit Pauken und Kanonen

Brachiale Pauken und Trommeln geben den Ton an in der 12. Sinfonie von Schostakowitsch. Eine Metapher für die Kanonen der Oktoberrevolution? Oder der innere Aufruhr eines Menschen, der nicht weiß, auf welche Seite er sich stellen soll?

in Kooperation mit dem Gewandhaus

Künstler haben es nicht leicht in der Sowjetunion des Jahres 1960. Der Einparteienstaat schaut sich den Kulturbetrieb ganz genau an. Erstickt regimekritische Töne im Keim und fördert linientreue Künstler. Der 54-jährige Dmitri Schostakowitsch hat seine Freiheiten. Er ist einer der bedeutendsten Komponisten des Landes, auch weil jenes seine Werke für Propagandazwecke nutzt.

Dabei hatte er in den 30ern mit seinen avantgardistischen Kompositionen nicht nur begeistert. Stalin höchstpersönlich ist einmal mitten in einer Oper von Schostakowitsch aufgestanden und gegangen. „Das ist albernes Zeug, keine Musik“, sagte er seinem Musikkorrespondenten.

Schostakowitsch – linientreuer Auftragskomponist?

Die 12. Sinfonie trägt den Untertitel „Das Jahr 1917“. Es geht um die von Lenin angeführte Oktoberrevolution. Sehr zur Freude der KPdSU. Von politischer Seite droht Schostakowitsch also wenig Gefahr. Er hat sich ganz bewusst in der Parteienlandschaft verankert, bekleidet hohe Ämter. Ob aus Überzeugung oder um sich Sicherheit zu verschaffen, bleibt offen.

Es gibt zwei Theorien. Man tendiert heute eher dazu, zu sagen: Er macht das, um sich selber zu schützen. Er wird da ideologisch nicht dahinter gestanden haben. Aber fakt ist natürlich, er hat die Dinge nie zurückgenommen, hat auch die Programmatik der 12. Sinfonie nie in Frage gestellt.Ann-Katrin Zimmermann 

Pauken spielen die Waffen der Revolution

Aber wie vermischen sich eigentlich Politik und klassische Musik? Schostakowitsch erinnert in seiner 12. Sinfonie mit einfachen Mitteln an die gewaltsame Oktoberrevolution. Vor allem das Schlagwerk muss im ersten Satz vollen Einsatz zeigen.

Ich spiele an der Pauke und mein Kollege an der kleinen Trommel. Wir spielen ganz eindeutig die Waffen der Revolution. Wenn man aber nur Kriegskrach macht, wird das sehr langweilig für die Hörer. Man muss sehr aggressiv spielen, aber unbedingt auch sehr klangvoll.Tom Greenleaves 

Überspitzte Heroisierung

Der Schluss ist fast überinstrumentiert, übermäßig laut, plakativ und blechern. Eine Gewalt des Triumphs, die da über einen herbricht im Finale dieser Sinfonie. Ist das eine Metapher für Kriegszustände? Für Revolution und Kanonen? Oder ist es der innere Aufruhr eines Menschen, der nicht weiß, auf welche Seite er sich stellen soll?

„Das Schöne an Musik ist, dass sie uns nicht festnagelt auf irgendeine konkrete Deutung“, sagt Gewandhaus-Dramaturgin Ann-Katrin Zimmermann. Das, worauf es beim Musik erleben ankommt, spielt sich in der Gegenwart jedes Einzelnen ab.

Redaktion