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Saitenwechsel: Hinter den Kulissen des Gewandhauses

Das Orchester hinter dem Orchester

Damit beim Klassik-Konzert alles reibungslos abläuft, gibt es in jedem Konzerthaus ein Orchester hinter dem Orchester. Doch wer sind die fleißigen Strippenzieher, die das Konzerterlebnis zu dem machen, was wir kennen? Zeit für einen Saitenwechsel. Und für einen Blick hinter die Kulissen.

wird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig

Saitenwechsel | detektor.fm entdeckt Klassikwird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig

Wer ins klassische Konzert geht, weiß worauf er sich einlässt: Auf einen nahezu fehlerfreien Kosmos, in dem irgendwie alles perfekt ist. Man betritt den Konzertsaal mit einem umfangreichen Programmheft, auf der Bühne stehen mit Noten bestückte Orchesterpulte und pünktlich zum Konzertbeginn betritt das Orchester die Bühne und spielt auf höchstem Niveau.

Damit alles so reibungslos flutscht, gibt es in jedem Konzerthaus sozusagen ein Orchester hinter dem Orchester. Ein funktionierendes Uhrwerk aus Abteilungen, Büros und Mitarbeitern, die im Hintergrund die Fäden ziehen und dafür sorgen, dass das Konzerterlebnis so ist, wie wir es kennen. Aber was genau spielt sich da ab – hinter den Kulissen? Ich will’s rausfinden und stehle mich durch den Hintereingang des Gewandhauses in lange Flure voller Büroräume. In einem dieser Büros treffe ich Ann-Katrin Zimmermann.

Meine Aufgabe sehe ich darin, über die Musik, die hier gemacht wird nachzudenken, über die Werke und deren Interpretationen. Dieses Nachdenken gilt es dann so in Worte zu fassen, dass es dem Publikum auch einen zusätzlichen Gewinn beim Konzerterleben bietet.

Wie heißt es doch so schön: Über Musik schreiben ist wie zu Architektur tanzen. Gar nicht so einfach. So gesehen ist Ann-Katrin Zimmermann eine ausgezeichnete Tänzerin, denn ihr fundiertes Hintergrundwissen über die Musik füllt die Programmhefte der Gewandhaus-Konzerte. Aber warum gibt es in der Klassik so viel Erklärungsbedarf? Musik ist doch gerade dann gut, wenn sie eben nicht erklärt werden muss. Und ins Rock-Konzert oder in den Club gehe ich ja auch nicht mit einer Info-Broschüre.

Natürlich kann man Klassik auch unkommentiert genießen. Ich kann mich zurücklehnen und das einfach an mir vorüberziehen lassen, aber es ist so unendlich viel eindrucksvoller, wenn ich dabei zugleich etwas verstehe. Wenn ich das Gefühl habe: Aha, ich habe begriffen, was mir der Komponist damit mitteilen wollte oder ich habe für mich selber, unabhängig von der Intention des Komponisten, etwas begriffen, habe einen musikalischen Witz erfasst. Auch das müssen wir ja lernen, weil wir nicht mehr in der Denkweise dieser Zeit drinstecken und musikalische Witze aus dem 18. Jahrhundert einen gewissen Erklärungsbedarf haben. Umso mehr freut man sich dann hinterher.

Das Klassik-Publikum ist loyal

Und weil die Konzerte mit Insider-Wissen noch mehr Spaß machen, gehen die Programmhefte weg wie warme Semmeln. Bei ausverkauften Konzerten lässt Zimmermann etwa 1.700 Stück drucken. Um die Menge gut abschätzen zu können, spricht sie vorher mit dem Vertrieb über die Vorverkaufszahlen. Hier kommt Vertriebsleiter Marco Domogalla ins Spiel. Er koordiniert den Ticketverkauf. Damit der gut läuft, gibt es erst mal eine klare Preispolitik.

Marco Domogalla - Vertriebsleiter

Vertriebsleiter
Wir versuchen, eine sehr hohe Spreizung bei den Preisen zu erreichen. Jedem, der Interesse an der Musik hat, soll der Zugang zum Konzert oder zum Orchester ermöglicht werden. Von daher ist es uns wichtig mit einem niedrigen Einstiegspreis bei den Einzelkarten zu arbeiten.Marco Domogalla

Und so kommt man auch schon für ‘nen Fünfer in den Klassik-Genuss. Man kann aber auch etwas mehr als 50 Euro für einen Premiumplatz im Großen Concert hinblättern. Für eingefleischte Konzertgänger gibt es Abo-Modelle. Auch so ein Phänomen, das im Pop-Business eher unüblich ist.

Im Klassik-Betrieb gibt es ein Publikum, das dem Haus gegenüber sehr loyal ist. Damit ist es gut gelebte Praxis, dass man sich einfach seinen festen Platz sichert im Konzert. Wir haben Kunden, die seit 20, 30 Jahren kommen und immer wieder auf ihrem Platz sichern, in ihrem Gewandhaus. Das zeigt natürlich, wie stark die Verbundenheit zum Haus, aber auch zum Orchester und zur Musik ist.

Im Betriebsbüro laufen alle Fäden zusammen

So langsam fügt es sich zusammen, das Getriebe, das den Konzertbetrieb ins Rollen bringt. Mit dafür verantwortlich, dass die einzelnen Puzzleteile zu einem großen Ganzen werden ist das Betriebsbüro. Hier werden sämtliche Veranstaltungen im Gewandhaus geplant und organisiert. Mittendrin: Dörte Heidrich.

Dörte Heidrich - Projektleiterin im Betriebsbüro

Projektleiterin im Betriebsbüro
Wir stellen das immer so als Eieruhr dar: Alle Informationen werden bei uns oben reingeworfen. Wir sind dann also die dünne Stelle in der Eieruhr, die das Ganze zu strukturiert und dann verteilen wir das wiederum an die richtigen Abteilungen und klären ab, wer wann und was zu machen hat.Dörte Heidrich

Und diese Eieruhr läuft im Dauerbetrieb. Ungefähr 600 Veranstaltungen organisieren Heidrich und ihre Kollegen im Jahr. Beim Großen Konzert laufen die Planungen zum Beispiel so…

 … dass wir zunächst die Agentur des Dirigenten kontaktieren mit einem ganz langen Fragenkatalog, angefangen von dem, was er proben möchte oder wann er eine Solistenprobe plant. Dann geht es um das Hotel, die Anreise, Autogrammstunden, geplante CD-Verkäufe und ähnliches. Dann werden die Agenturen der Solisten kontaktiert. Parallel werden die nachfolgenden Abteilungen informiert. Das Orchesterbüro bekommt dann beispielsweise die Information, was geprobt werden soll. Die gleichen Infos bekommt auch Frau Kohlmann vom Notenarchiv.

Das Noten-Material muss stimmen

Silke Kohlmann sorgt dafür, dass alle Musiker rechtzeitig die richtigen Noten vor der Nase haben. Die Noten besorgt sie meist bei den entsprechenden Verlagen. Damit ist es aber zumindest bei den Streichern noch nicht getan.

Silke Kohlmann - Notenarchivarin

Notenarchivarin
Die Streicher haben üblicherweise erst zwei Wochen vorher ihre Noten, weil es hier aufwändiger ist, die Noten vorzubereiten. Streicher-Noten können nie so gespielt werden, wie sie aus dem Handel kommen. Da werden erst Auf- und Abstriche und Bögen eingezeichnet. Das beeinflusst die Artikulation und wird von jedem Orchester, selbst jedem Konzertmeister individuell gehandhabt. Am Notentext selber ändert das aber nichts.Silke Kohlmann

Mitunter bestellt Kohlmann die Noten ein viertel Jahr vor Aufführung, damit Verlage im Notfall reagieren können. Denn wenn große Jubiläen anstehen, passiert es schon mal, dass bei den sehr bekannten Werken die Materialien knapp werden. Die Preise der Noten hängen von verschiedenen Faktoren ab.

Bei Leihmaterial richtet sich das nach der Orchestereinstufung. Nicht jedes Orchester bezahlt für das gleiche Werk den gleichen Preis. Sonst könnten sich kleinere Orchester viele Aufführungen überhaupt nicht leisten. Dann geht es nach der Aufführungslänge und danach, ob ein Werk schon urheberrechtlich frei ist. Wenn man Filmmusik ausleiht, gibt es manchmal Fantasiepreise.

Das Orchester hinter dem Orchester

Noten, Programmhefte, Ticketverkauf und Betriebsbüro – das sind nur einige der vielen Zahnräder, die hinter der Bühne ineinandergreifen. Doch ob auf oder hinter der Bühne – Harmonie und Perfektion regieren auf beiden Seiten.

Ich verstehe uns auch ein bisschen wie eine Art Orchester, wo jeder seinen Part spielt und jeder die Verantwortung für seine Partie übernimmt, möglichst fehlerfrei, so wie die Musiker auf der Bühne. Das hat mich von Anfang an fasziniert mit welch hohem Anspruch hier alle zu Werke gehen und wie sie sich identifizieren mit diesem gemeinsamen Ziel, dass da wunderbare Musik auf der Bühne erklingt.

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